Der Pate von Florenz
Narren wie mich etwas ab!«
Auf den Straßen und Plätzen herrschte ein mächtiges Lärmen und Wogen von Menschen jeden Alters und Standes. Schon vor Tagen waren die Gäste und das Landvolk aus dem Contado nach Florenz geströmt und mit ihnen das bunte Volk der fahrenden Händler, Spielleute, Straßenartisten, Schausteller und Bußprediger. Aber auch Bettler, Wanderhuren, Taschendiebe und allerlei lichtscheues Gesindel waren darunter, weil sie sich in diesen Tagen gute Geschäfte erhoffen durften.
Marcello und Giuliano ließen sich vom Strom der Menge durch die Stadt treiben, blieben ab und zu stehen, um sich den Schaukampf von zwei als Gladiatoren verkleideten Muskelprotzen anzusehen oder über das Spottlied eines Bänkelsängers zu lachen, und zogen schließlich weiter zu den Ständen und dampfenden Garküchen auf dem Mercato Vecchio. Dort gönnten sie sich einen scharf gewürzten Bratspieß.
»Was hältst du davon, wenn wir nach Santo Spirito hinübergehen und sehen, was Piero heute seinen Gästen im La Vacca 1 zu bieten hat?«, fragte Giuliano nach einer Weile. »Ich habe höllischen Durst, aber den gepanschten Straßenwein, der hier ausgeschenkt wird, möchte ich nicht trinken.«
Marcello nickte. »Die Idee ist mir auch schon gekommen. Im La Vacca geht es heute bestimmt hoch her. An solchen Tagen lässt Piero sich nicht lumpen.«
Das La Vacca lag auf dem linken Flussufer zwischen dem Augustinerkloster Santo Spirito und dem Arbeiterviertel Borgo San Frediano. Es war eine ungewöhnlich große Taverne, da der hintere Teil einst einem Weinhändler als Lager gedient hatte. Der Wirt Piero Vatelli hatte das Gewölbe vor Jahren dazugekauft und mit seinem Schankraum verbunden, indem er die Trennwand durchbrochen und die Öffnung mit einem breiten Rundbogen versehen hatte. An solchen Feiertagen ließ er dort eine kleine Bretterbühne aufbauen, auf der Spaßmacher, Feuerschlucker und Gaukler ihr Können zum Besten gaben. Und natürlich sorgte er stets für zwei, drei gute Musikanten, die zwischendurch zum Tanz aufspielten.
Sie schlugen den Weg zur Ponte Vecchio ein. Doch als sie den Mercato Nuovo erreichten, drängten sich dort schon so viele Menschen, dass es kein Durchkommen mehr gab.
»Lass uns besser unten herumgehen und die Ponte Santa Trinità nehmen«, schlug Marcello vor.
Giuliano pflichtete ihm bei und so bogen sie nach links in die Via di Porta Rossa ab, um zur weiter flussabwärts gelegenen Brücke zu kommen.
Kurz bevor sie zum Kirchplatz mit dem Gotteshaus gelangten, das der nahe gelegenen Brücke über den Arno ihren Namen gegeben hatte, hörten sie das spöttische Grölen und Lachen von Betrunkenen und dazwischen die wütende Stimme einer Frau.
Nur wenige schnelle Schritte später sahen sie zu ihrer Rechten in einem Tordurchgang zu einem Hinterhof zwei Männer, die offenbar eine Frau in die Durchfahrt gedrängt hatten und sie nun rüde bedrängten. Die Frau stand mit dem Rücken zur Wand und wehrte sich verzweifelt gegen die Zudringlichkeiten der Betrunkenen.
»Hört auf!«, schrie die Frau und schlug nach den Händen, die ihr an die Brust griffen und ihr das Kleid hochzerren wollten. »Lasst mich los, ihr Mistkerle!«
Marcello fuhr der Schreck in die Glieder, als er die Stimme erkannte. Es war Fiora!
Aber bevor er etwas sagen konnte, brüllte Giuliano schon den beiden Betrunkenen zu: »Habt ihr so viel Dreck in den Ohren, dass ihr taub seid? Die Frau will mit euch Gesindel nichts zu tun haben! Also lasst sie sofort in Ruhe, sonst bekommt ihr es mit uns zu tun!«
»Ja, nehmt eure dreckigen Hände von ihr!«, rief nun auch Marcello. »Wir kennen die Frau. Sie ist eine Freundin von uns!«
Giuliano warf ihm einen verblüfften Blick zu. Gerade wollte er ihn fragen, was er damit meinte, als einer der Kerle, ein bulliger, untersetzter Bursche, sich zu ihnen umwandte. Auf dem Kopf trug er die typische graue Stoffkappe eines Contadino mit langen Ohrenschutzlappen. Er warf einen abschätzigen Blick auf Giuliano und erwiderte verächtlich: »Troll dich, du blöder Narr, sonst verlierst du gleich nicht nur deine lächerliche Narrenkappe! Und das gilt auch für dich, du Muselmane!«
»So, meinst du?«, gab Giuliano grimmig zurück. Seine Hand fuhr unter sein lang herabfallendes Obergewand und kam im nächsten Augenblick mit einem scharfen, doppelt geschliffenen Dolch wieder zum Vorschein. »Das wollen wir doch mal sehen!«
»Ha!«, stieß der Contadino spöttisch hervor und griff zu seinem Messer, das er
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