Der Pate von Florenz
Lorenzo ihm zu seinem Recht verhalf. Ein Nachbar habe dessen Sklavin geschwängert.
Bis auf den letztgenannten Fall waren Lorenzo diese und ähnliche Bitten schon unzählige Male zu Ohren gekommen, sodass er wie immer nur mit einem knappen Nicken darauf reagierte und damit seine Zustimmung erteilte. Doch als Sandro ihm von der geschwängerten Sklavin und ihrem Herrn berichtete, der vom Nachbarn Entschädigung verlangte, schüttelte er verständnislos den Kopf. »Nicht zu glauben, dass sich ein Mann wie Umberto Martelli mit einer Sklavin einlässt, wo es ihm doch wahrlich nicht an Geld mangelt! Er könnte sich die teuerste Konkubine der Stadt leisten!«
Sandros Miene blieb ausdruckslos, obwohl ihm diese geringschätzige Bemerkung einen schmerzenden Stich versetzte. Denn auch er hatte sich mit einer Sklavin eingelassen, doch nicht aus leichtfertiger Vergnügungssucht, sondern weil er sie geliebt hatte. Und nicht einen Tag hatte er es bereut, dass er Tessa zur Frau genommen hatte. Warum nur hatte der Tod sie schon in so jungen Jahren von seiner Seite gerissen?
»Jeden lockt etwas anderes und manche sind schon mit den kleinen Sünden zufrieden«, bemerkte Giuliano.
Lorenzo tat, als hätte er die Bemerkung nicht gehört. »Umberto Martelli soll seinem Nachbarn dreißig Florin Strafe zahlen und auch für die Hebamme aufkommen! Sagt ihm das, Sandro. Und macht ihm klar, dass er sich gefälligst zu fügen und für den Schaden aufzukommen hat! Über die anderen Gesuche reden wir später. Und jetzt nennt mir die Namen der Männer, die sich gegen das Gesetz sperren. Es wäre doch gelacht, wenn ich keine Mehrheit bekäme!«
Lorenzo de’ Medici sollte übrigens recht behalten und es war ihm einerlei, dass die Mehrheit nur sehr knapp ausfiel.
Sandro wollte nun noch einmal auf die angespannte finanzielle Lage der Bank zu sprechen kommen. Denn durch seinen plötzlichen Tod hatte der Fürst von Burgund bei den Medici einen Schuldenberg von mehr als hundertzehntausend Florin hinterlassen. Und es war kaum zu hoffen, dass sich sein Nachfolger bemüßigt fühlte, dafür aufzukommen. Das Geld konnten die Medici wohl abschreiben – wie so manch anderen hohen Kredit.
Aber Lorenzo wollte damit nicht belästigt werden und ließ sich lieber über die Flut der Briefe aus, die Cicco Simonetta ihm schickte, stets gespickt mit besorgten Warnungen, dass sich seiner Ansicht nach irgendetwas Bedrohliches für die Medici zusammenbraue. Seinem Spitzel in Rom seien Bemerkungen zu Ohren gekommen, wonach am Hof des Heiligen Vaters höchst unselige Umtriebe im Gange seien, die nur das Ziel haben könnten, ihn um die Vorherrschaft in Florenz zu bringen – ja, womöglich gehe es dabei sogar um einen Anschlag auf sein Leben.
»Der Kanzler meint es sicherlich gut mit seiner Besorgnis und den vielen Warnungen, aber abgesehen davon, dass er nie etwas wirklich Konkretes von seinen Spitzeln zu melden hat, verkennt er, wie die Dinge hier liegen«, sagte Lorenzo selbstbewusst. »Wir haben alles unter Kontrolle. Und niemand wird die Tollkühnheit besitzen und es wagen, mein Leben anzutasten. Viel wichtiger scheint es mir zu sein, dass Simonetta sich im Sattel hält und dass der Intrigant Montefeltro auf sicherer Distanz zu Mailand bleibt.«
»Vergiss nicht unsere regen und guten Kontakte zu Roberto da Sanseverino und zu Ludovico in Pisa!«, warf Giuliano bissig ein.
»Du sagst es, Bruder«, erwiderte Lorenzo. »Man muss seine Stiefel stets fest in zwei Steigbügeln halten! Nur so macht man erfolgreiche Politik.«
Giuliano hatte sich schon zum Gehen gewandt, als ihm noch etwas einfiel. »Beinahe hätte ich vergessen, dass unser alter Lehrer Gentile Becci dir das erbetene Geschenk geschickt hat. Es ist vorhin aus Arezzo eingetroffen.«
Lorenzo sah ihn verblüfft an. »Geschenk? Ich wüsste nicht, dass ich ihn um irgendetwas gebeten hätte.«
Ein spöttisches Lächeln zuckte um Giulianos Mundwinkel. »Es war ja auch nicht nötig, den Wunsch auszusprechen. Dass du seinen Grauschimmel bewundert hast, hat ja gereicht, um ihn wissen zu lassen, dass du ihn gern haben möchtest. Und wie der liebe Gentile nun mal ist, hat er dir das edle Pferd ja auch umgehend geschickt.«
Lorenzo wirkte auf einmal verlegen. »So ist es aber nicht gemeint gewesen«, erwiderte er. »Aber natürlich freut es mich, dass er sich so großherzig zeigt.«
»Ja, der gute Gentile Becci hat deinen Wink sehr wohl verstanden«, bekräftigte Giuliano. »In seinem Brief, der noch unten
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