Der Pate von Florenz
gehen müsstest und dann den ganzen Weg wieder zurück. Ich schaffe das auch allein.«
Fiora versuchte nicht, ihn umzustimmen, zu groß waren ihre Müdigkeit und der Wunsch, aus den Kleidern zu kommen und sich ins Bett fallen zu lassen.
Vor ihrem Haus dankte Fiora ihnen für alles.
»Gehab dich wohl, du Blume unter den Kartenleserinnen!«, lallte Giuliano mit glasigem Blick.
Marcello hatte Mühe, seinen Freund in die Via Larga zu bekommen. Vor dem Portal wechselten sie noch ein paar humorige Worte, dann machte sich Marcello auf den Weg hinüber nach Santa Croce.
In dieser Nacht schwirrten merkwürdige Träume durch seinen umnebelten Kopf, in denen er immer wieder mit Fiora tanzte, sie zum Schluss aber stets an Giuliano verlor. Der nahm sie in seine Arme und brach in schallendes Gelächter aus. Dazu bimmelten die Narrenglöckchen in hellem Spott.
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1 Die Kuh
17
W ährend Sandro Fontana kurz vor dem Angelusläuten unter einem sonnig milden Märzhimmel bei San Lorenzo um die Ecke bog, wartete sein Herr im Palazzo schon ungeduldig auf dessen Rückkehr. Es drängte ihn zu erfahren, was die Beratungen der pratichi ergeben hatten, zu denen er seinen Consigliere geschickt hatte. Bei diesen Zusammenkünften der Räte und Regierungsstellen, zu denen meist auch angesehene Bürger ohne öffentliches Amt geladen waren, wurde über Gesetzesvorlagen beraten, die von den Prioren unter dem Vorsitz des Gonfaloniere erarbeitet worden waren und die in Kürze verabschiedet werden sollten. Allerdings kamen diese Gesetzesvorlagen schon lange nicht mehr aus den Arbeitszimmern der Prioren, sondern aus dem Palazzo der Medici und dort von Lorenzos Schreibtisch.
Sandro traf im Gang zwischen den Kontoren der Bank und dem lichten Innenhof auf Giuliano. »Kommt Ihr jetzt erst von den Beratungen über Lorenzos neues Gesetz zurück?«, fragte dieser verwundert.
Sandro nickte mit ernster Miene. »Es ist hoch hergegangen und dementsprechend lange hat es gedauert.«
Giuliano verzog das Gesicht. »Das kann ich mir vorstellen. Lorenzo hat ihnen mit diesem neuen Erbschaftsgesetz aber auch einen reichlich schwer zu schluckenden Brocken vorgesetzt.«
»Ihr sagt es«, pflichtete Sandro ihm bei.
»Da bin ich aber mal gespannt, was Ihr darüber zu berichten habt, Consigliere. Das werde ich mir anhören. Kommt, Lorenzo ist oben auf der verone. «
Gemeinsam gingen sie die Treppe hinauf.
Lorenzo hatte es sich zusammen mit seinem langjährigen Sekretär Niccolò Michelozzi auf der oberen Loggia im warmen Sonnenlicht bequem gemacht. Neben ihm, auf einem kleinen Marmortisch, lag ein Stoß Briefe, die an diesem Tag eingetroffen waren. Einer stammte wieder einmal aus der Feder des Mailänder Kanzlers. Auf seinem Schoß ruhte ein Journal mit Notizen, aus denen er dem Sekretär einen Brief diktierte.
»Lasst uns eine Weile allein«, sagte Lorenzo zum Sekretär, als er seinen Bruder mit Sandro Fontana an der Seite kommen sah. »Ich lasse Euch rufen, wenn wir weitermachen können.«
»Sehr wohl, Magnifizenz.« Niccolò Michelozzi erhob sich, stellte sein tragbares Schreibpult mit dem halb fertiggestellten Schreiben zur Seite, verneigte sich und zog sich nach unten in sein Schreibzimmer zurück.
»Nun, was gibt es zu berichten?«, fragte Lorenzo erwartungsvoll, als sie unter sich waren. »Seid Ihr auf nennenswerte Bedenken gestoßen?«
»Ja, so kann man es wohl ausdrücken«, antwortete Sandro trocken. »Heftiger Widerspruch wäre eigentlich der richtige Ausdruck. Jedenfalls haben sich viele zu Wort gemeldet, die keinen Hehl machen aus ihrer Überzeugung, dass Ihr mit diesem Gesetz zu weit geht.«
Eine Unmutsfalte zeigte sich auf Lorenzos Stirn. »Widerspruch, sagt Ihr? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ich will nachher den Namen von jedem wissen, der es gewagt hat, mir in dieser Angelegenheit Steine in den Weg zu legen!«, rief er erbost. »Haben diese Schwachköpfe schon vergessen, was die Pazzi nicht nur dem Haus Medici, sondern auch unserer Republik angetan haben? Trotz all der Wohltaten, die mein Großvater und auch ich ihnen erwiesen haben?«
»Wohl kaum, aber …«, setzte Sandro zu einer Entgegnung an.
Lorenzo sprang jedoch erregt auf und redete einfach weiter. »Wenn Großvater Cosimo in den Jahren 1458 und 1459 nicht die Verfassungsreform durchgesetzt hätte, wären Magnaten wie die Pazzi aufgrund ihrer adligen Abstammung heute immer noch nicht berechtigt, hohe Ämter in Florenz zu bekleiden! Aber womit haben sie uns das und so manch
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