Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
Aber schon viel früher hat Kaiser Joseph II., der selbst dem Morbus Viennensis erlag, die medizinische Fakultät befragt, warum gerade in Wien so viele an der Schwindsucht sterben. Die Professoren haben nichts anderes zu antworten gewußt, als daß der Wiener Staub, die Stiegen der vier- bis sechsstöckigen Häuser, die feuchten und dumpfen Wohnungen und vor allem „der deutsche Tanz“, also der Walzer, die Ursachen seien!
1871 erreichte die Seuche in Wien ihren Höhepunkt. 5.693 Menschen starben an der „Wiener Krankheit“, das war jeder vierte Todesfall. Besonders arg betroffen waren die Neuzuwanderer, die, aus ländlichen Gegenden kommend, in der aufstrebenden Großstadt ihr Glück suchten. Die „Dienstmädchentuberkulose“ und die „Bosniakentuberkulose“ wurden sprichwörtlich. Auch heute tritt die Tbc noch gehäuft bei bestimmten Bevölkerungsgruppen auf, denn gerade diese Krankheit ist ein empfindlicher Anzeiger für die soziale und hygienische Infrastruktur. So ist die Tuberkulosehäufigkeit im 16. und 17. Bezirk Wiens mehr als doppelt so hoch wie in der übrigen Stadt; mit Recht müssen solche Bezirke als „Tuberkuloseinseln“ einer Großstadt bezeichnet werden. Grund dafür sind die enge Verbauung, die hohe Bevölkerungsdichte und der große Anteil von Substandardwohnungen.
Aber auch im ländlichen Raum existieren Tuberkuloseinseln. Dort hat sich gezeigt, daß vor allem Pendler häufig erkrankt sind. Dabei sind ebenfalls soziale Aspekte von Bedeutung, z. B. Arbeitsplätze und Quartiere auf engem Raum, stark frequentierte Bahnhofswartezimmer und Gasthäuser, gemeinsame Zug- und Autobusfahrten.
Trotz des weitgehenden Rückganges der Neuerkrankungen in den europäischen Ländern gibt es nach wie vor Todesfälle an Tuberkulose. Pro Jahr sterben derzeit weltweit etwa drei Millionen Menschen an einer akuten oder chronischen Tbc. Wenn damit der jetzige Stellenwert der Tbc aufgezeigt wird, ist klar, daß mit großem Bemühen bestimmte Risikogruppen von den Gesundheitsbehörden zu überwachen sind. Dies geschieht zwar regelmäßig während des Berufslebens, ab dem Eintritt ins Pensionsalter wird jedoch nicht mehr aktiv nach Tuberkuloseneuerkrankungen gefahndet, obwohl gerade in dieser Altersstufe die Krankheitshäufigkeit wieder zunimmt. Hier hat die Sanitätsbehörde Handlungsbedarf!
Durch die moderne Therapie kommt der Tbc keine Bedeutung als Volksseuche mehr zu. Allerdings verpflichten die Erfolge der Tuberkulosebehandlung zu weiterer aufmerksamer Diagnostik dieser Erkrankung in der Zukunft.
EINIGE VON VIELEN TUBERKULOSEOPFERN Franz Josef Karl, Herzog von Reichstadt, 21 Jahre Friedrich von Hardenberg (Novalis), 29 Jahre Anne Brontë, 29 Jahre
Emily Jane Brontë, 30 Jahre
Charlotte Brontë, 40 Jahre
Frédéric Chopin, 40 Jahre
Franz Kafka, 41 Jahre
Christian Morgenstern, 43 Jahre Franz von Assisi, 44 Jahre
Anton Pawlowitsch Tschechow, 44 Jahre Robert Louis Stevenson, 44 Jahre Friedrich von Schiller, 46 Jahre Kaiser Joseph II., 49 Jahre
sowie
Marguerite Gautier, die Kameliendame Violetta Valery, die Traviata
und Mimi, die Näherin aus La Bohème
WIE KRANK SIND UNSERE ÄRZTE?
Profitieren die Ärzte selbst von ihrer Heilkunst?
Wir Ärzte werden geschult, bei unseren Patienten Krankheiten zu verhindern oder zu heilen. Wie wir es aber mit unserer eigenen Gesundheit halten, wird viel weniger beachtet. Gegenseitige Hilfe ist selten ein Diskussionsthema und wird noch seltener praktiziert.
Achte deinen Nächsten (Patienten) wie dich selbst! Achte aber auch dich selbst wie deine Nächsten!
Die Erkenntnis ist nicht sehr originell: Ärzte sind auch nur Menschen. Ihre mittlere Lebenserwartung beträgt 69 Jahre und liegt um etwa drei Jahre unter dem Durchschnitt anderer Berufsgruppen mit ähnlicher akademischer Qualifikation.
1993 wurden 200 Allgemeinmediziner und Internisten befragt: Wie gesundheitsbewußt leben Sie?
Zwei von drei Ärzten gaben an, wenig oder gar nicht gesundheitsbewußt zu leben. Etwa 50 Prozent treiben Sport. Rauchen?
Bis zum 40. Lebensjahr sind unter den Ärzten 36 Prozent Raucher. Bis zum 55. Lebensjahr haben sich dann 18 Prozent das Rauchen abgewöhnt, d. h., dann sind 82 Prozent Nichtraucher bzw. Nichtmehr-Raucher.
Alkohol?
15 Prozent leben abstinent. 50 Prozent gaben an, gerne Alkohol zu trinken.
Suchtgefahr?
40 Prozent der Befragten halten die Vertreter ihres Berufsstandes für suchtgefährdet.
Vorsorgeuntersuchung?
61 Prozent nehmen entweder nie oder nur selten
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