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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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warst schon immer ein süßes Kind«, sagte Mrs. Vilardi. An Jeremy gewandt: »Ich hab sie immer gemocht. Um die Wahrheit zu sagen, ich hab immer gedacht, sie wäre die perfekte Frau für meinen anderen Sohn, Andy. Aber man kann nie wissen, nicht wahr, mein Schatz?«
    »Bestimmt nicht, Mom.« Marikas Augen glänzten.
    »Dr. Carrier, kommen Sie aus einer großen Familie? Entschuldigen Sie, dass ich so persönlich werde, aber Sie scheinen einfach so ein warmes Herz zu haben.«
    »Ziemlich groß«, sagte Jeremy.
    »Das sind bestimmt nette Leute.«
    »Sehr nett – ich komme später wieder vorbei, um nachzusehen, wie es ihm geht.« Er drückte erst ihr die Hand, dann Marika, und stand auf.
    »Vielen Dank, Dr. Carrier – ich hab Sie nicht beleidigt, oder? Indem ich nach Ihrer Familie gefragt habe?«
    »Ganz und gar nicht.« Jeremy klopfte ihr zur Bekräftigung auf die Schulter.
    »Gut«, sagte sie. »Weil ich gerade einen Augenblick lang glaubte, Sie sähen so aus … als hätte ich Sie beleidigt. Ich bin sicher, es liegt an mir, ich sehe vermutlich alles ein bisschen verdreht. Weil mir alles ein bisschen über den Kopf wächst, wissen Sie.«
    »Sie müssen sich ausruhen«, erwiderte Jeremy.
    »Sie sind wichtig für Dougie, Dr. Carrier. Damals … das andere Mal hat er immer gesagt, Sie wären der Einzige, der ihn wie ein menschliches Wesen behandelt hat.«
    »Das stimmt«, erklärte Marika. »Das hat er auch zu mir gesagt.«
    Jeremy lächelte. »Das ist er nun mal. Ein menschliches Wesen.«
    »Er wird wieder gesund«, sagte Mrs. Vilardi. »Ich kann es spüren.«
    Als der Abend näher rückte und nur noch eine knappe Stunde blieb, bevor er sich an Ted Dirgrove hängen würde, machte Jeremy Angela durch das Personalbüro ausfindig. Sie war zur Endokrinologie gewechselt. Er ging auf die Station, und die Oberschwester zeigte auf einen Untersuchungsraum.
    »Diabetiker, der zur Wundbehandlung eingeliefert wurde; das wird nicht mehr lange dauern.«
    Angela kam zehn Minuten später aus dem Zimmer und sah nervös aus. »Hi. Ich bin ziemlich müde.«
    »Mach mal Pause. Trink einen Kaffee mit mir.«
    »Ich hab meinen Koffein-Quotienten bereits zu mir genommen. Es hat nichts gebracht.«
    »Dann nimm noch mehr zu dir.« Er nahm sie beim Arm. »Komm schon, wir bringen dich auf einen echten Koffeintrip.«
    »Und dann?«
    »Dann untersuche ich dich, schreibe alles auf, veröffentliche eine Studie.«
    Sie versuchte nicht zu lächeln. Schaffte es nicht. »Okay, aber nur ein paar Minuten.«
    Statt mit ihr zur Cafeteria zu gehen, nahm er sie mit zu einem der Automaten, die im nächsthöheren Geschoss am hinteren Ende des Rehabilitationszentrums standen, schob einen Dollarschein hinein und holte zwei Becher mit Kaffee heraus.
    »Das Zeug hier?«, sagte sie. »Das ist ekelhaft.«
    »Betrachte es nicht als Getränk. Es ist Rauschgift.«
    Er führte sie zu zwei harten, orangefarbenen Stühlen. Rehabilitation wurde zum größten Teil tagsüber durchgeführt, und die Station lag ruhig da.
    »Ich bin wirklich kaputt«, sagte sie. »Und ich bin noch lange nicht mit meinen Patienten durch.«
    Jeremy ergriff ihre Hand. Ihre Haut war kühl; sie wandte den Blick ab, und ihre Finger blieben schlaff.
    »Du bist mir wichtig«, sagte er. »Ich vermisse dich, und ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe. Ich hätte nicht so reagieren sollen, wie ich es getan habe. Ich bin bereit, über alles zu reden.«
    Angela biss sich auf die Lippe und starrte in ihren Schoß. »Das ist alles nicht nötig.«
    »Jocelyns Ermordung war schlimmer als alles, was ich mir überhaupt vorstellen konnte. Sie war ein großer Teil meines Lebens, und sie zu verlieren – darüber nachzudenken, was sie durchgemacht hat – hat große Stücke aus meinem Herzen gerissen. Ich hätte früher was dagegen tun müssen. Stattdessen habe ich es eitern lassen.«
    Angela hob den Kopf. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. »Das hätte ich verstehen sollen. Ich hätte keine Ansprüche stellen sollen.«
    »Nein, es ist gut, dass endlich jemand Ansprüche an mich stellt. Ich bin schon viel zu lange ein Einzelgänger.«
    Sie trank von ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. »Der ist wirklich ekelhaft.« Ihre Finger legten sich fest um Jeremys Hand. »Ich kannte sie. Nicht gut, aber ich kannte sie. Aus meiner Zeit in der Neurologie. Sie war eine wirklich nette Frau. Eines Tages machte ich Eintragungen in meine Krankenblätter, als sie mit einer anderen Schwester über ihren Freund sprach. Wie toll

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