Der Pathologe
Schule gegangen waren.
Durch den Zeitunterschied war es in England Abend, aber immer noch früh genug für einen höflichen Anruf.
Er tippte die Nummer ein, hörte das überseeische Rauschen und war einen Augenblick lang verdutzt, als eine fröhliche Frauenstimme zwitscherte: »Hallo, wer ist denn da?«
»Kann ich bitte Mr. Langdon sprechen?«
»Der sitzt vor dem Fernseher. Wen darf ich ihm denn melden?«
»Dr. Carrier aus den Vereinigten Staaten.«
»Den Staaten – Sie machen Witze.«
»Ganz und gar nicht. Sind Sie Mrs. Langdon?«
»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe. Kein Witz? Nun, was für ein amerikanischer Doktor sind Sie denn?«
»Ich bin Psychologe«, antwortete Jeremy. »Ich bin ein Freund von Dr. Arthur Chess.«
»Ist das so?«, sagte die Frau. »Ich bin sicher, das ist gut für ihn, wer immer er ist. Also glauben Sie, dass Nigey einen Seelenmasseur braucht?«
»Nichts in der Richtung, Mrs. Langdon. Dr. Arthur Chess – Professor Chess ist ein berühmter Pathologe mit einem Interesse an einem von Mr. Langdons Fällen – wir reden doch von Detective Inspector Nigel Langdon?«
»
Pensionierter
Detective Inspector … Nigey hat dieses hässliche Geschäft weit hinter sich gelassen – es geht um die ermordeten Mädchen, nicht wahr? Das muss es sein.«
»Darum geht es tatsächlich, das …«
»Aha! Wer ist demnach der Detektiv in dieser Familie!« Sie lachte.
»Woher wussten Sie das?«, fragte Jeremy.
»Weil das der einzige Fall von Nigey ist, an dem ein Psychologe interessiert sein könnte. Das muss ein Verrückter gewesen sein, es hat – aber ich sollte nicht mehr dazu sagen. Mangel an Diskretion und so. Was wollen Sie und Ihr Professorenfreund denn von Nigey?«
»Ich möchte ihm nur ein paar Fragen stellen.«
»Sie und alle anderen.«
»Hat es in letzter Zeit ein gesteigertes Interesse an diesem Fall gegeben?«
»Nicht in letzter Zeit. Aber nachdem es passiert war – als sie die Zweite gefunden haben, Bridget –, hat dieses Telefon nicht mehr still gestanden.« Schweigen in der Leitung. Dann sagte die Frau: »Gott sei Dank ist das alles vorüber. Sie wollen also mit ihm sprechen, ja?«
»Ich würde es begrüßen. Nur einen kleinen …«
»Ich nehme an, es kann nicht schaden. Seit kurzem klagt er über Langeweile.
Nigey!
«
Die Stimme des Mannes klang verstopft – als hätte er den Mund voller Zeitungspapier.
»Was ist los?«, wollte er wissen. »Irgendwas mit Suzie und Bridget? Wer
sind
Sie? Worum
geht
es hier?«
Jeremy erzählte eine Geschichte über Arthurs gerichtsmedizinische Kenntnisse, wissenschaftliche Diskussionen zwischen ihnen, die wichtige Fälle betrafen, und die Bitte des alten Mannes, Jeremy möge psychosoziale Nachuntersuchungen bei Fällen vornehmen, die seiner Ansicht nach noch ungelöst seien.
»Nun ja, der hier ist eindeutig total ungelöst«, grummelte Nigel Langdon. »Ist nie abgeschlossen worden. Hielt immer wieder eine Überraschung für mich bereit. Angesichts der zwei Leichen dachte ich etwa, es gäbe mehr. Einer dieser Serientäter, wissen Sie? Aber das war es, zwei. Der Scheißkerl hat diese armen Mädchen verwüstet und einfach aufgehört. Eine der beiden hatte einen Freund, eine miese Type, hat einige Zeit in Broadmoor gesessen, schwere Körperverletzung, und ich war sicher, dass er es war. Aber er hatte ein Alibi. Hinter Schloss und Riegel in Broadmoor – besser geht’s nicht, finden Sie nicht auch? Von ihm abgesehen, nichts. Schönen Abend noch …«
»Verwüstet«, sagte Jeremy. »Lag eine Vergewaltigung vor?«
»Ich habe mich … etwas dramatisch ausgedrückt, Sir. Warum sollte ich
Ihnen
das sagen? Sie sind ein wenig impertinent …«
»Eine Frage noch, Inspector Langdon. Bitte. Wiesen die Morde irgendwelche Anzeichen chirurgischer Präzision auf?«
Schweigen.
»Was steckt hinter Ihrer Frage?«, sagte Langdon.
»Nichts weiter. Waren die Leichen mit … auffallender Technik seziert worden? Etwas, das auf medizinische Vorbildung schließen ließ?«
»Was sagten Sie, woher Sie kommen, mein Junge?«
»City Central Hospital.« Jeremy ratterte die Adresse herunter und sagte Langdon, er gäbe ihm gern seine Telefonnummer, damit er zur Bestätigung zurückrufen könne.
Langdon unterbrach ihn: »Warum all diese Neugier vom City Central Hospital, Sir?«
»Wie ich Ihnen bereits sagte, Inspector. Intellektuelle Neugier. Und eine tiefe Besorgnis bei Professor Chess – und mir – hinsichtlich psychosozialer Fragen. Der Ursprung der
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