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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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letzte Reihe von Hauttransplantationen nach einer im letzten Jahr erlittenen Verbrennung vornahm, als ein von einem Sturm zerrissenes Hochspannungskabel quer über seine Brust geschnellt war und seinen linken Arm abgetrennt hatte.
    Monate nach der Amputation hatten Phantomschmerzen eingesetzt, und als alles andere nicht zu funktionieren schien, ersuchte der plastische Chirurg um eine psychotherapeutische Konsultation.
    Dies war der sechste Behandlungstermin, den Jeremy mit dem jungen Mann hatte. Josh hatte sich als ausgezeichnetes Subjekt für die Hypnose erwiesen und ging bereitwillig, ja sogar begierig auf Jeremys Anregung ein, dass sein Arm einen friedlichen Ruheplatz gefunden habe.
    Jetzt lag Josh auf einer Couch im Behandlungszimmer, während Jeremy neben seinem Kopf saß. Der junge Mann atmete langsam und regelmäßig, und das unschuldige Lächeln eines träumenden Kleinkinds lag auf seinen Lippen.
    Das Piepen an Jeremys Gürtel schaffte es nicht, ihn zu wecken. Völlig weggetreten. Jeremy schaltete das Gerät aus, ließ ihn länger als normalerweise dort verweilen, wo er sich gerade aufhielt, und brachte ihn schließlich ganz allmählich wieder zurück. Als Josh sich bei ihm bedankte und ihm sagte, er fühle sich großartig, wirklich großartig, geradezu phantastisch, erwiderte Jeremy das Kompliment: »Sie haben die ganze Arbeit geleistet, Josh. Sie sind hervorragend hierin.«
    »Glauben Sie, Doc?«
    »Ganz bestimmt. Sie sind so gut, wie man nur sein kann.«
    Josh strahlte. »Ich hätte nie gedacht, dass dies etwas ist, was ich tun kann, Doc. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, als Sie es zum ersten Mal erwähnten, dachte ich, es ist Hokuspokus. Aber diese Idee mit dem Schaltbrett hat sich als Superidee erwiesen. Wenn ich mir das bildlich vorstelle, alle Schaltungen an ihrem Platz, wenn ich all diese Lämpchen blinken sehe, und alles läuft wirklich reibungslos, dann tauche ich einfach ab. Einfach so.«
    Er schnippte mit den Fingern seiner einen Hand.
    »Heute«, fuhr er fort, »hab ich mich richtig reingehängt. Hab mir vorgestellt, ich wäre Angeln, draußen im Sund. Hab so viele Barsche und Weißfische rausgeholt, dass das Boot fast gekentert wäre. Ich sag Ihnen, ich konnte riechen, wie die Jungs in der Pfanne brutzeln.«
    »Legen Sie ein paar für mich zurück.«
    »Darauf können Sie sich verlassen, Doc.«
    Als Jeremy den Behandlungsraum verließ, war er zufrieden. Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, als er Angelas Nummer auf dem Pieper erkannte.
    »Ich hab ’ne halbe Stunde Zeit«, sagte sie, als er sie in der Brustmedizin erreichte. »Was hältst du von Kaffee und Gebäck im Speisesaal der Ärzte?«
    »Ich bin schon unterwegs.«
    Als er den Speiseraum betrat, saß sie mit Ted Dirgrove, dem Herzchirurgen, an einem Tisch. Vor ihr standen ein Kaffee und ein Schokoladenteilchen. Der Tisch vor Dirgrove war leer. Er trug nicht seine weinroten OP-Sachen, sondern hatte seinen weißen Arztkittel zugeknöpft. In dem V-Ausschnitt war der Bogen eines schwarzen T-Shirts zu sehen.
    Echt cool.
    Er stand auf, als Jeremy näher kam. »Hi, Jeremy.«
    »Ted.«
    Dirgrove wandte sich Angela zu. »Ich mache es am Donnerstag, und wenn Sie zusehen wollen – gar kein Problem, sagen Sie nur meiner Sekretärin Bescheid.«
    »Danke, Dr. Dirgrove.«
    Dirgrove richtete sich wieder an Jeremy. »Ich hatte vor, Sie wegen der jungen Saunders anzurufen.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Nicht ganz«, sagte der Chirurg. Seine Spinnenfinger verkrampften sich, und sein knochiges Gesicht wurde starr. »Sie starb auf dem Tisch.«
    »Mein Gott. Was ist passiert?«
    Dirgrove rieb sich über ein Auge. »Wahrscheinlich eine Reaktion auf die Anästhesie, eine dieser idiopathischen Sachen. Ihre Lebenszeichen spielten verrückt – eine Spitze, genau, wie ich befürchtet hatte – und dann ein richtig tiefes Tal. Alles ging einfach in den Keller. Zuerst war ich sicher, dass es sich um einen typischen Anästhesiefehler handelte. Den Schlauch im Ösophagus statt in der Luftröhre, weil ganz plötzlich ihre Sauerstoffaufnahme stark absackte. Das ist Scheiße, aber es passiert, man merkt es, man bringt es in Ordnung. Der Anästhesist sah nach, und alles war an seinem Platz. Er konnte sie einfach nicht wieder zurückholen. Ich hatte sie aufgemacht, das Sternum zurückgezogen und war gerade mit dem Herzen beschäftigt.«
    Dirgrove berichtete den Vorfall mit hohler Stimme, als spräche er durch ein Bambusrohr. Seine Augen waren müde, aber er hatte sich

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