Der Patient
Hausmeister zu. »Kommen Sie bitte mit rein«, bat er ihn. »Ich will es sehen.«
Der Mann nickte unglücklich. »Wird Ihnen nicht gefallen«, sagte er. »Ganz bestimmt nicht. Und Sie ruinieren sich diese Schuhe.« Widerstrebend reichte der Mann ihm einen silbrig glänzenden Helm voller Kratzer und Schrammen.
Als Ricky das Haus betrat, lief immer noch Wasser durch die Decke und die Wände der Lobby herunter, so dass die Farbe aufquoll und von den Mauern blätterte. Die Feuchtigkeit war mit Händen zu greifen, es war stickig und modrig wie in einem Dschungel, ein schwacher Fäkaliengeruch hing in der Luft. Auf dem Marmorboden hatten sich Lachen gebildet, so dass es glitschig war wie auf einem zugefrorenen Teich. Der Hausmeister lief ein paar Schritte vor Ricky und achtete darauf, wohin er trat. »Riechen Sie das? Sie wollen sich schließlich keinen Infekt einfangen«, sagte der Mann über die Schulter gewandt.
Auf dem Weg die Treppe hoch gingen sie langsam und mieden das stehende Wasser, wenngleich Rickys Schuhe bereits platschende Geräusche machten und er merkte, wie das Leder durchnässte. Im zweiten Stock hantierten zwei junge Männer in Overalls, Gummistiefeln und Schutzhandschuhen sowie Atemschutzmasken mit großen Wischmopps und versuchten, erst einmal der größeren Abwasserpfützen Herr zu werden. Klatschend landeten die Lappen wieder und wieder auf dem Boden. Die Männer arbeiteten langsam und konzentriert. Ein dritter Mann, ebenfalls mit Mundschutz und Stiefeln ausgerüstet, ansonsten aber in einem billigen braunen Anzug mitloser Krawatte um den Hals, stand ein Stück entfernt. Er hielt eine Polaroid-Kamera in der Hand und machte ein Foto nach dem anderen, um das Ausmaß der Zerstörung festzuhalten. Das Blitzlicht leuchtete auf und knallte wie eine kleine Explosion. Ricky blickte nach oben und sah eine gewaltige Wölbung in einer der Decken, wie eine gigantische Eiterbeule, kurz bevor sie platzt. An der Stelle hatte sich das Wasser gesammelt und drohte den Mann zu überfluten, der die Fotos machte.
Die Tür zu Rickys Wohnung stand sperrangelweit offen. Der Hausmeister sagte: »Tut mir leid, wir mussten hier rein, um an die Quelle des Schadens zu kommen …« Er brach mitten im Satz ab, als erübrige sich jede weitere Erklärung, und schloss mit zwei Worten, »… Verfluchte Scheiße …«, die er nicht weiter zu erläutern brauchte.
Ricky machte einen einzigen Schritt in seine Wohnung und blieb jäh stehen.
Es war, als wäre eine Art Hurrikan durch sein Zuhause gefegt. Das Wasser stand zwei, drei Zentimeter hoch. Es hatte wohl einen Kurzschluss gegeben, denn es lag ein deutlicher Schmorgeruch in der Luft. Sämtliche Möbel und Teppiche waren durchnässt, vieles davon für immer ruiniert. Große Partien der Decke waren gewellt und verbeult, andere wiesen tiefe Risse auf, unter denen sich weißer Putzstaub ausgebreitet hatte. Ganze Brocken Spachtelmasse hatten sich gelöst und wie Klumpen Pappmaschee auf dem Boden gehäuft. An unzähligen Stellen tropfte immer noch dunkles, braun gefärbtes, stinkendes Wasser. Je weiter er in die Wohnung trat, desto stärker wurde der Fäkaliengeruch, der sich bereits in der Lobby angedeutet hatte, bis er kaum noch auszuhalten war.
Die Zerstörung war allgegenwärtig. Seine Sachen waren entweder überflutet oder zerstreut. Es sah aus, als wäre eine hoheWoge in die Wohnung geschwappt. Vorsichtig trat er in sein Sprechzimmer und blieb im Türrahmen stehen. Aus der Decke hatte sich ein großer Brocken gelöst und war auf die Couch gefallen. Sein Schreibtisch verschwand unter einer Gipsschicht. Aus mindestens drei klaffenden Löchern in der Decke tropfte Wasser, während zerklüftete, freiliegende Rohre wie Stalaktiten in einer Höhle herunterhingen. Auf dem Boden stand das Wasser. Eine Reihe seiner Bilder, darunter seine Diplome und das Porträt von Freud, waren von der Wand gefallen, an mehreren Stellen lagen Glasscherben.
»Bisschen wie ’n Terroranschlag, was?«, sagte der Mann. Als Ricky einen Schritt nach vorne machte, fühlte er, wie er am Arm gepackt wurde. »Nicht da rein«, sagte der Hausmeister.
»Aber meine Sachen …«, brachte Ricky heraus.
»Ich glaube nicht, dass der Boden noch sicher ist«, sagte sein Begleiter. »Und von diesen Rohren, die hier lose in der Decke hängen, kann jeden Moment eins runterkommen. Was Sie holen wollen, ist wahrscheinlich sowieso hin. Am besten vergessen Sie’s. Es ist verflucht gefährlich hier drinnen, mehr als Sie
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