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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Ärger hatte, während sie zusammen auf Staatskosten logierten. Scheinen im Knast echte Probleme miteinander gehabt zu haben. Konnten sich vermutlich nicht darüber einig werden, wer welchen Teil des Drogenhandels unter sich hatte. Haben gegenseitig versucht, sich um die Ecke zu bringen. Messer Marke Eigenbau. Nennen sie ›Shivs‹. Ziemlich unangenehme Art zu sterben, hab ich mir sagen lassen. Wie’s aussieht, waren die beiden schlimmen Finger sich auch nach dem Knast nicht grün. Vielleicht eine der ältesten Geschichten der Welt. Wir kriegen den Burschen, der Rafi ausgeknipst hat, wenn wir erst mal ein bisschen besser an einen von seinen beschränkten Kumpeln rangekommen sind. Einer von ihnen wird früher oder später in die Falle tappen, und dann drücken wir ein bisschen fester zu.«
    »Sie gehen also davon aus, dass der Mörder jemand war, den Johnson im Gefängnis kannte?«
    »Unbedingt. Ein Kerl namens Rogers. Schon mal von dem gehört? Übler Bursche. Mit Sicherheit so schlimm wie Rafael Johnson, vielleicht auch ein bisschen schlimmer, immerhin ist er noch auf freiem Fuß, während sich Johnson auf Staten Island den Rasen von unten beguckt.«
    »Wie können Sie so sicher sein, dass er es ist?«
    »Ich darf Ihnen das eigentlich nicht sagen …«
    »Natürlich, ich habe Verständnis, wenn Sie keine Einzelheiten preisgeben wollen«, sagte Ricky.
    »Na ja, es war ein bisschen ungewöhnlich«, fuhr der Polizist fort. »Aber kann wahrscheinlich nicht schaden, wenn Sie es wissen, solange Sie es für sich behalten. Dieser Rogers hat sozusagen seine Visitenkarte hinterlassen. Wie’s aussieht, wollte er, dass Johnsons sämtliche Kumpel erfahren, wer ihn erst so beschissen zugerichtet und dann kaltgemacht hat. Kleine Lektion für die Jungs im Knast, würde ich sagen. Alte Gefängnismentalität. Na jedenfalls, nachdem er ’ne ganze Weile auf Johnson eingedroschen, sein Gesicht zu Brei geschlagen und ihm beide Beine sowie sechs Finger gebrochen hat – keine guten Manieren, der Bursche, so viel kann ich Ihnen sagen – nimmt sich der Kerl kurz bevor er ihn aufhängt, noch die Zeit, Johnson seine Initialen in die Brust zu ritzen. Schneidet ein großes gottverdammtes R ins Fleisch. Ziemlich übel so was, bringt die Botschaft allerdings mehr als deutlich rüber.«
    »Den Buchstaben R?«
    »Ganz recht. Ziemlich eindeutige Visitenkarte, oder?«
    Das war es in der Tat, dachte Ricky. Und die Person, der sie eigentlich zugedacht war, nahm sie gerade in Empfang.
     
    Ricky versuchte, sich Rafael Johnsons Ende nicht plastisch auszumalen. Er fragte sich, ob der Exganove und Kleinkriminelle die leiseste Ahnung gehabt hatte, von wessen Hand er starb. Jeder Schlag, den Johnson zwanzig Jahre zuvor der unglücklichen Claire Tyson ausgeteilt hatte, war ihm mit Zins und Zinsenszins heimgezahlt worden. Ricky wollte sich nicht lange mit dem, was er erfahren hatte, aufhalten, doch eines lag auf der Hand: Der Mann, der sich Rumpelstilzchen nannte, hatte seinen Rachefeldzug mit beträchtlicher Sorgfalt geplant. Und er warf längere Schatten, als Ricky hatte ahnen können.
    Zum dritten Mal wählte Ricky die Nummer der Anzeigenabteilung bei der
New York Times
, um seine letzte Frage zu stellen. Er stand immer noch in der Vorhalle des Gerichtsgebäudes und hielt sich einen Finger ins Ohr, um den Lärm der Leute auszuschalten, die aus ihren Büros strömten. Der Mitarbeiter bei der Zeitung schien sich zu ärgern, dass Ricky es mit seinem Anruf so gerade eben vor Abgabenschluss um achtzehn Uhr geschafft hatte. Er war kurz angebunden. »Also, Doktor, was soll in der Anzeige stehen?«
    Ricky überlegte einen Moment, bevor er sagte,
     
    Ist einer von drei Geschwistern mein Mann?
Bestraft er die, die ihnen Unrecht getan,
Jetzt Auge um Auge und Zahn um Zahn?
     
    Der Zeitungsangestellte las ihm, offenbar gegen jegliche Neugier gefeit, die Zeilen noch einmal kommentarlos vor. Er nahm zügig die Rechnungsanschrift auf und ging ebenso zügig aus der Leitung.
    Ricky konnte sich nicht vorstellen, was so Verlockendes zu Hause auf den Angestellten wartete, dass ihm seine Reime nicht einmal die kleinste Bemerkung entlockten, doch er war dankbar dafür.
    Er ging auf die Straße hinaus und hob schon den Arm, um ein Taxi heranzuwinken, als er es sich anders überlegte und unerfindlicherweise beschloss, die U-Bahn zu nehmen. Es herrschte der abendliche Rushhour-Verkehr, und so strömte eine enorme Menschenmasse in den Unterleib von Manhattan hinab, um mit dem

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