Der Patient
mischte sich das schrille Kreischen der Sirene, und der Löschzug brauste davon.
Ricky rannte los, obwohl er unterschwellig registrierte, dass die Männer vor seinem Haus es nicht eilig hatten. Als er sie erreichte, war er außer Atem. Einer der Polizisten drehte sich zu ihm um.
»Nicht so eilig, junger Mann«, sagte der Beamte.
»Ich wohne hier«, antwortete Ricky besorgt, »was ist passiert?«
»Sie wohnen hier?«, fragte der Mann, obwohl er die Antwort bereits hatte.
»Ja«, bestätigte Ricky. »Was ist hier los?«
Statt ihm Auskunft zu geben, sagte der Beamte nur, »Oh Mann. Da wenden Sie sich besser an den feinen Zwirn da drüben.«
Erst jetzt sah Ricky eine zweite Gruppe von Männern zusammenstehen, darunter einen Nachbarn ein Stockwerk über ihm, einen Börsenmakler, der die lose Interessengemeinschaft der Wohnungseigentümer vertrat und sich gerade mit einem Mann vom Bauamt mit gelbem Schutzhelm herumschlug. Ineinem anderen Mann erkannte Ricky den Verwalter ihres Gebäudes und in einem dritten den Hausmeister wieder.
Der Mann vom Bauamt hatte die Stimme erhoben und sagte gerade: »Mir doch scheißegal, ob ich den Leuten Unannehmlichkeiten mache. Die Entscheidung, ob das Haus bewohnbar ist oder nicht, liegt ganz allein bei mir, und ich sage Ihnen, kommt nicht in die Tüte, verdammt noch mal!«
Der Börsenmakler wandte sich verärgert ab und erkannte Ricky wieder. Er hob die Hand zum Gruß und kam auf Ricky zu, während sich die anderen weiterstritten.
»Dr. Starks«, sagte er und streckte ihm die Hand entgegen.
»Ich hatte gehofft, Sie wären längst in Urlaub gefahren.«
»Was ist hier los?«, platzte Ricky heraus.
»Eine Schweinerei«, fuhr der Makler fort. »Eine einzige Riesenschweinerei.«
»Was denn?«
»Haben die Polizisten Ihnen das denn nicht gesagt?«
»Nein. Was ist passiert?«
Der Nachbar seufzte und zuckte die Achseln. »Na ja, wie’s aussieht, hat es einen gewaltigen Rohrbruch im dritten Stock gegeben. Mehrere Rohre sind offenbar gleichzeitig geplatzt, weil sich wohl irgendwie ein Überdruck gebildet hat. Sind wie Bomben explodiert. Das Wasser hat sich über die ersten beiden Stockwerke ergossen, und im dritten und vierten funktioniert rein gar nichts mehr. Kein Strom, kein Gas, kein Wasser, kein Telefon – alles im Eimer.«
Der Makler musste wohl Rickys ungläubiges Gesicht gesehen haben, denn er fuhr in tröstlichem Ton fort. »Tut mir leid. Ich weiß, dass es Ihre Wohnung mit am schlimmsten getroffen hat. Ich hab sie nicht gesehen, aber …«
»Meine Wohnung …«
»Ja. Und jetzt will dieser Idiot vom Bauamt, dass wir das gesamteGebäude räumen, bis die Ingenieure und Bauleute drinnen gewesen sind und sich die Sache angesehen haben …«
»Aber meine Sachen …«
»Einer von den Bauamttypen geht mit Ihnen rein, damit Sie sich holen können, was Sie brauchen. Haben Sie jemanden, den Sie anrufen können? Wo Sie unterkommen können? Ich dachte, normalerweise sind Sie im August immer auf dem Cape. Ich dachte, Sie sind längst …«
»Aber wie ist das passiert?«
»Das wissen sie nicht. Muss wohl in der Wohnung direkt über Ihnen angefangen haben. Und die Wolfsons sind über den Sommer oben in den Adirondacks. Verdammt, ich muss sie anrufen. Kann nur hoffen, dass sie da oben im Telefonbuch stehen. Kennen Sie zufällig einen guten Bauunternehmer? Einen, der sich um Decken, Böden und alles dazwischen kümmern kann? Und Sie sollten besser Ihren Versicherungsfritzen anrufen, auch wenn er vermutlich alles andere als glücklich sein wird, wenn er hört, was los ist. Sie werden ihn sofort hier rüberbestellen müssen, um die Schadensregulierung zu klären, ansonsten sind schon ein paar Leute drinnen und machen Fotos.«
»Ich verstehe immer noch nicht …«
»Der Typ sagt, die Rohrleitungen wären praktisch explodiert. Vielleicht eine Verstopfung. Kann Wochen dauern, bis wir es wissen. Möglicherweise hat sich Gas gestaut. Wie auch immer, hat gereicht, um wie ’ne Bombe hochzugehen.«
Ricky trat zurück und starrte zu der Wohnung hinauf, die ein Vierteljahrhundert lang sein Zuhause gewesen war. Es war ein bisschen so, als erführe man vom Tod eines alten Bekannten, der einem nahe gestanden hatte. Er hatte das Gefühl, es mit eigenen Augen sehen, mit Händen greifen zu müssen, um eszu fassen. Wie damals, als er seiner Frau die Wange gestreichelt und ihre Haut sich kalt wie Porzellan angefühlt hatte, so dass er schließlich begriff, was geschehen war. Er winkte dem
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