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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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liebte.
    Seine Hand zitterte ein wenig, als er den ersten Kanister mit dem Benzin ins obere Stockwerk trug, wo er es reichlich über den Boden schüttete. Dann tränkte er das Bettzeug.
    Mit dem zweiten Kanister verfuhr er ähnlich im Erdgeschoss.
    In der Küche blies Ricky die Stichflammen am Gasherd aus. Dann drehte er jeden Hahn einzeln auf, so dass sich der Raum im Nu mit dem Gestank nach verfaulten Eiern füllte und der Herd alarmierend zischte. Der Geruch vermischte sich mit dem nach Benzin, der ihm in den Kleidern hing.
    Ricky nahm die Leuchtpistole und ging nach draußen. Er lief zum alten Honda, ließ den Motor an und fuhr ihn in sichere Entfernung vom Haus, wo er ihn Richtung Einfahrt stehen ließ.
    Dann ging er zu einer Stelle gegenüber den Wohnzimmerfenstern. Der Benzingeruch im Haus mischte sich mit dem an seinen Händen und Kleidern. Er dachte unwillkürlich, wie deplatziert diese aggressiven Gerüche waren, verglichen mit dem Duft von Geißblatt und Wildblumen in der lauen Sommernacht, mit einer zarten Prise Salzluft vom Meer, die mit jedem Windstoß über die Bäume herüberwehte. Ricky atmeteein einziges Mal tief ein und versuchte, nicht daran zu denken, was er tat, zielte genau mit der Pistole, spannte den Hahn und feuerte eine einzige Leuchtkugel durch das mittlere Fenster. Das Geschoss flog im hohen Bogen durch die Nacht und zog einen glühend weißen Lichtstreifen durch das Dunkel zwischen der Stelle, an der er stand, und dem Haus. Das Geschoss schlug klirrend ins Fenster ein. Er hatte halb mit einer Explosion gerechnet, hörte stattdessen aber nur einen dumpfen Schlag, dem unmittelbar Knistern folgte. Ein Schimmer Glut, wenige Sekunden später die ersten züngelnden Flammen, die über den Boden rasten und sich im Wohnzimmer ausbreiteten.
    Ricky drehte sich um und rannte zum Honda zurück. Als er den Gang einlegte, stand bereits das ganze Erdgeschoss in Flammen. Als er den Weg hinunterfuhr, brachten die Flammen das Gas in der Küche zur Explosion.
    Er beschloss, nicht zurückzusehen, sondern beschleunigte den Wagen in die tiefe Nacht.
     
    Ricky fuhr langsam und behutsam zu einer Stelle am Strand, die er seit Jahren kannte und die allgemein Hawthorne Beach genannt wurde. Er musste mehrere Meilen über ein abgelegenes, schmales Teersträßchen fern jeder Besiedlung fahren, wo nur ein paar alte Farmhäuser ähnlich seinem eigenen im Dunkeln standen. Jedesmal, wenn er sachte ein Cottage passierte, dessen Bewohner vielleicht gerade zu Hause waren, machte er die Scheinwerfer aus. Es gab mehrere Strände in der Umgebung von Wellfleet, die sich für seine Zwecke geeignet hätten, doch dieser war der einsamste und somit vor einer nächtlichen Teenagerparty ziemlich sicher. Am Strandaufgang gab es einen kleinen Parkplatz, den der Naturschutzverband von Massachusetts betrieb, der sich um den Erhalt der unberührtestenLandstriche im Bundesstaat bemühte. Auf den Platz passten höchstens zwei Dutzend Wagen, und so war er bis spätestens halb zehn Uhr morgens bereits voll, denn der Strand war hier wahrhaft spektakulär: eine breite Sandfläche am Fuß eines zwanzig Meter hohen Kliffs mit goldgelbem Sandboden, mit grünen Seegrasbüscheln und einer der stärksten Brandungen auf dem Cape. Diese Kombination war bei Familien wegen des phantastischen Anblicks und bei Surfern wegen der hohen Wellen sowie der Sogwirkung der Gezeiten sehr beliebt, die ihnen den gewissen Nerven kitzel verschaffte. Am Ende des Parkplatzes stand ein Schild: STARKE STRÖMUNGEN UND GEFÄHRLICHE WIDERSEE. SCHWIMMEN NUR IN ANWESENHEIT DES BADE-MEISTERS. ACHTUNG BEI GEFÄHRLICHEN WASSERVERHÄLTNISSEN.
    Ricky parkte neben dem Schild. Er ließ die Schlüssel stecken. Er legte die Briefe mit den Zuwendungen auf das Armaturenbrett und lehnte den an die Polizei Wellfleet addressierten Umschlag ans Lenkrad.
    Er holte die Krücken, den Rucksack, die Laufschuhe, die frische Kleidergarnitur heraus und ließ seinen Wagen stehen. Dann legte er, nachdem er das Foto seiner Frau aus dem Rucksack genommen und sich in die Hosentasche gesteckt hatte, die Sachen oberhalb des Kliffs, wenige Schritte von der Holzschranke entfernt, die den schmalen Abstieg zum Strand markierte, ins Gras. Er hörte das stetige, rhythmische Krachen der Wellen und spürte eine leichte südöstliche Brise im Gesicht. Das Tosen kam ihm gelegen, denn es sagte ihm, dass die Brandung in den Stunden nach Sonnenuntergang zugenommen hatte und wie ein frustrierter Kämpfer gegen den

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