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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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die Benutzung gedruckt, angefangen mit dieser: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Anschließend die Bedienungsanleitung.
    Ricky schielte zu den Computern hinüber und überlegte, ob sie ihm vielleicht von Nutzen sein konnten. Unsicher, wo er anfangen sollte, mit einer altmodischen Ehrfurcht vor der modernen Technik, begab er sich, sein Leben lang ein Mann des Gesprächs, zwischen die vielen Reihen mit den Büchern und suchte nach einer Abteilung über Computer. Nach wenigen Minuten stand er davor. Er neigte den Kopf ein wenig,um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können, und hatte schon bald gefunden, was er suchte:
Die ersten Schritte am Heimcomputer – Ein Führer für die Ängstlichen und Uneingeweihten
.
    Er ließ sich in einen der Sessel fallen und begann mit seiner Lektüre. Die Prosa in dem Buch, stellte er fest, war irritierend und überpointiert, offenbar für Vollidioten konzipiert. Immerhin aber bot die Lektüre eine Menge Informationen, und mit ein wenig Scharfsinn hätte Ricky begriffen, dass die kindischen Formulierungen sich an Leute seines Schlages richteten, da in Amerika jedes durchschnittliche elfjährige Kind bereits wusste, was auf diesen Seiten erklärt wurde.
    Nachdem er eine Stunde lang gelesen hatte, ging Ricky zu den Computern hinüber. Es war im Spätsommer mitten in der Woche, mitten am Vormittag, und die Bibliothek war fast leer. Er hatte den Bereich ganz für sich. Er drückte bei einem der Apparate auf den Knopf und zog sich einen Stuhl heran. Er sah zu den Instruktionen an der Wand auf und fand die Stelle, an der erklärt wurde, wie man ins Internet geht. Er folgte der Anleitung, und der Bildschirm erwachte vor seinen Augen zum Leben. Er tippte weiter in die Tastatur, gab Befehle ein und hatte binnen weniger Minuten die virtuelle Welt betreten. Er öffnete eine Suchmaschine, so wie es in dem Führer stand, und tippte die Phrase
Falsche Identität
ein.
    Keine zehn Sekunden später ließ der Computer ihn wissen, dass es zu diesem Thema über 100 000 Einträge gebe, und Ricky las sie von Anfang an.
    Als der Tag zur Neige ging, hatte Ricky erfahren, dass mit neuen Identitäten ein blühendes Geschäft getrieben wurde. Über die ganze Welt verteilt gab es Dutzende Firmen, die ihm so gut wie alle falschen Ausweispapiere beschafften, die alle unter der Haftungsausschlussklausel NUR ALS SCHERZARTIKELverkauft wurden. Er fand, dass die kriminelle Absicht bei einem französischen Anbieter, der kalifornische Führerscheine verkaufte, nicht zu übersehen war. Doch trotz der allzu offensichtlichen Absicht, war nichts Illegales daran. Er machte sich eine Liste von Anlaufstellen und Dokumenten für ein fiktionales Portefeuille. Er wusste, was er brauchte, die Frage war nur, wie er daran kam.
    Schnell hatte er begriffen, dass Leute, die sich eine falsche Identität beschaffen wollten, bereits jemand waren.
    Was er nicht von sich behaupten konnte.
    Immerhin hatte er noch Geld in der Tasche und wusste jetzt, wo er es an den Mann bringen konnte. Das Problem war nur, dass diese Firmen alle in der virtuellen Welt angesiedelt waren und sein Bargeld ihm dort nichts nützte. Sie wollten Kreditkartennummern. Er hatte keine. Sie wollten eine E-Mail-Adresse. Er hatte keine. Sie wollten einen ständigen Wohnsitz, an den sie das Material liefern sollten. Er hatte keinen.
    Ricky verfeinerte seine Computersuche und fing an, über Identitätsdiebstahl zu lesen. Er erfuhr, dass auch dies in den Vereinigten Staaten eine lohnende kriminelle Sparte war. Er las eine Horrorstory nach der anderen über Leute, die eines Morgens erwachten und feststellten, dass ihr Leben ein einziges Chaos war, weil irgendwo irgendjemand mit einem unbekümmerten Gewissen in ihrem Namen Schulden machte.
    Nun erinnerte sich Ricky nur allzu gut, wie seine eigenen Bankkonten und Börsen-Depots leergefegt worden waren, und er vermutete, dass dies Rumpelstilzchen ein Leichtes gewesen war, nachdem er sich nur ein paar von Rickys Nummern beschafft hatte. Dies war vermutlich eine Erklärung dafür, weshalb Ricky den Karton mit seinen alten Steuererklärungen nicht mehr finden konnte. In der elektronischen Welt war es nicht weiter schwer, jemand anders zu sein. Er schworsich, nie wieder einen genehmigten Kreditantrag, den er unaufgefordert mit der Post bekam, in den Papierkorb zu werfen, wenn er erst einmal wieder jemand war.
    Ricky schob seinen Stuhl vom Computer zurück und verließ die Bücherei. Draußen schien die Sonne, und die sommerliche

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