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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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schaute auf das Preisschild. »Also, dafür nehm ich nicht mal die zehn Dollar, die sie dafür haben wollen. Wie wär’s mit, sagen wir, drei? Scheint mir fairer zu sein. Geht das in Ordnung?«
    »Sehr großzügig von Ihnen«, sagte Ricky.
    »Wofür brauchen Sie den Schrott denn überhaupt?«, fragte der Mann neugierig, aber nicht unfreundlich.
    »Der ist für eine Theateraufführung«, log Ricky.
    Der ältere Kassierer nickte. »Dann kann ich nur hoffen, dassder nicht für den Star der Bühne ist, denn wenn die nur einmal an dem Mantel riechen, können sie sich nach einem neuen Kostümbildner umsehen.« Der Mann lachte keuchend über seinen eigenen Witz und gab dabei kurze, schnaufende Laute von sich, die eher mühsam als belustigt klangen. Ricky fiel mit seinem eigenen falschen Lachen ein.
    »Na ja, der Regisseur hat gesagt, was richtig Vergammeltes, soll sich also nicht beklagen«, sagte er. »Ich bin nur der Laufbursche. Gemeindetheater, wissen Sie? Bescheidenes Budget …«
    »Wollen Sie ’ne Tüte?«
    Ricky nickte und verließ den Heilsarmeeladen mit der Tüte unter dem Arm. An der Haltestelle hinter der Passage entdeckte er einen wartenden Bus, und er rannte hinüber. Von der Anstrengung brach ihm der Schweiß aus, und kaum hatte er sich auf den Rücksitz geworfen, fasste er in die Tüte und wischte sich mit dem alten Pullover Stirn und Achseln trocken.
    Bevor er an diesem Abend sein Motelzimmer erreichte, nahm Ricky seine sämtlichen Einkäufe mit in einen kleinen Park, wo er einige Zeit darauf verwandte, jedes Stück unter einer Baumgruppe durch den Dreck zu ziehen.
    Am nächsten Morgen packte er die neuen Kleider wieder in die große braune Papiertüte.
    Alles andere, die wenigen Dokumente, die er über Rumpelstilzchen hatte, die Zeitungen, die übrige gekaufte Kleidung, wanderte in den Rucksack. Er bezahlte seine Rechnung bei dem Hotelangestellten und erklärte, er wäre wahrscheinlich in ein paar Tagen zurück, eine Auskunft, die den Mann nicht einmal dazu brachte, vom Sportteil der Zeitung aufzuschauen, der ihn offensichtlich fesselte.
    Der Trailways-Vormittagsbus nach Boston war Ricky inzwischenvertraut geworden. Bei jedem Schritt auf seine Abgeschiedenheit und Anonymität bedacht, saß er wie immer zusammengekauert ganz hinten und vermied den Blickkontakt mit der kleinen Schar der übrigen Fahrgäste. In Boston stieg er bewusst als Letzter aus. Die Mischung aus Hitze und Auspuffgasen, die über dem Bürgersteig hing, löste einen Hustenanfall aus. Im Innern des Terminals lief eine Klimaanlage, doch selbst hier wirkte die Luft seltsam schmutzig. Reihen orangefarbener und gelber Plastiksitze, die im Linoleumboden verankert waren, leuchteten ihm entgegen. Viele der Schalen wiesen starke Abnutzungsspuren auf, die gelangweilte Mitmenschen in den Stunden, während sie auf die Ankunft oder Abfahrt eines Busses warteten, dort hinterlassen hatten. Ein starker Bratfettgeruch hing in dem geschlossenen Gebäude, und Ricky sah an einer Wand des Terminals eine Hamburgerbude in trauter Nachbarschaft mit einem Doughnutstand. Ein Zeitungskiosk verkaufte die Tageszeitungen und aktuellen Zeitschriften zusammen mit Pseudopornografie für das breite Publikum. Ricky fragte sich, wie viele Menschen im Busbahnhof wohl die
U. S. News & World Report
und den
Hustler
in einem Aufwasch kauften.
    Ricky suchte sich einen Platz so nah wie möglich an der Herrentoilette und wartete auf eine Pause in dem unablässigen Besucherstrom.
    Nach etwa zwanzig Minuten hatte er das Gefühl, dass niemand mehr drinnen war, besonders, nachdem ein Beamter der Bostoner Polizei mit verschwitztem blauem Hemd hineingegangen und beim Verlassen fünf Minuten später seinem amüsierten Kollegen laut vernehmlich die unangenehmen Folgen eines erst kürzlich vertilgten Wurstsandwiches geschildert hatte. Kaum entfernte sich das Klacken der schwarzen Polizeistiefel auf dem schmutzigen Boden, schoss Ricky von seinemSitz und huschte in die Toilette, wo er sich in eine Kabine einschloss und die ordentlichen, erst kürzlich erstandenen Kleider auszog, um sie gegen die von der Heilsarmee zu tauschen. Bei der gewöhnungsbedürftigen Duftnote aus Schweiß und anderen Ingredienzien, die ihm entgegenschlug, als er in den Mantel schlüpfte, rümpfte er die Nase. Er packte die anderen Sachen zusammen mit seinen sämtlichen Habseligkeiten, einschließlich des Bargelds minus hundert Dollar in Zwanzigernoten, in den Rucksack, den er wiederum in einen Riss im Mantel steckte

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