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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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der Portier: »Nein, sie ist wieder gegangen. Vor knapp einer Stunde, direkt, nachdem sie einen Anruf auf ihrem Handy bekam. War sofort weg. Und der Kerl, der bei ihr war, auch. Die sind den ganzen Abend über immer wieder reingekommen und haben nach Ihnen gefragt.«
    »Der Kerl, der bei ihr war?«, hakte Ricky nach. »Bisschen rundlich und käsig, so der Typ, den man in der Junior High verprügelt hat?«
    »Genau«, sagte der Portier und lachte. »Das ist der Typ. Perfekte Beschreibung.«
    Hallo, Merlin, dachte Ricky.
    »Haben sie eine Nummer oder Anschrift hinterlassen?«
    »Nein, sagten nur, sie kämen wieder. Und ich sollte Ihnen nicht sagen, dass sie dagewesen sind. Worum dreht sich das Ganze?«
    »Nur ein geschäftliches Arrangement. Wissen Sie was, wenn die sich wieder melden, geben Sie ihnen doch bitte folgende Nummer …« Ricky las die letzte seiner Handynummern vor. »Aber dafür sollen die was für Sie springen lassen. Die haben’s nämlich.«
    »Geht klar. Soll ich ihnen sagen, dass Sie morgen kommen?«
    »Ja, warum nicht. Und sagen Sie denen auch, ich hätte nach meinen Telefonnachrichten gefragt. Haben die meine Nachrichten gesehen?«
    Wieder brauchte der Mann ein paar Sekunden für seine Antwort. »Nein«, log er. »Die sind vertraulich. Die würde ich ohne Ihre Genehmigung niemandem zeigen.«
    Aber sicher doch, dachte Ricky. Unter fünfzig Dollar hatte sich da bestimmt nichts getan. Er freute sich, dass der Mann im Hotel genau wie erwartet gehandelt hatte. Ricky beendete das Telefonat und lehnte sich in seinen Sitz zurück. Sie können sich nicht sicher sein, dachte er. Sie werden sich fragen, wer sonst noch nach Frederick Lazarus sucht und wieso und was er mit der ganzen Sache zu tun hat oder auch nicht. Es wird ihnen zu schaffen machen, und ihr nächster Schritt wird ein wenig verunsichert sein. Worauf Ricky es angelegt hatte. Er sah auf die Uhr. Er konnte davon ausgehen, dass der Zwingerbesitzer das Klebeband inzwischen losgeworden war und, nachdem er Brutus beruhigt und so viele Hunde wie möglich wieder eingefangen hatte, endlich auch zu seinem Anruf gekommen war. Somit erwartete Ricky, dass in dem Haus, zu dem er fuhr, zumindest noch eine Lampe brannte.
    Wie zuvor in dieser Nacht parkte Ricky den Wagen auch hier ein Stück abseits der Straße, wo er von zufälligen Passanten nicht gesehen wurde. Er war gut eine Meile von seinem Ziel entfernt und kam zu dem Schluss, dass er besser zu Fuß weitergehen sollte, um unterwegs zu überlegen, was bei seinem Plan als Nächstes kam. Er spürte eine gewisse Erregung, als lägen endlich die Antworten auf ein paar Fragen greifbar nahe vor ihm. Doch in das Vorgefühl mischte sich helle Empörung, die in blanken Zorn umgeschlagen wäre, hätte er sich nicht mit aller Macht beherrscht. Verrat, dachte er, hat das Potenzial, weitaus stärker als Liebe zu sein. Er merkte, dass ihm etwas flau im Magen war, und erkannte, dass dies von der Mischung aus Enttäuschung und ungezügelter Wut herrührte.
    Ricky, einst ein Mann der Gefühls- und Gedankenwelt, überprüfte jetzt seine Waffe, um sicherzustellen, dass sie ordnungsgemäß geladen war, und machte sich klar, dass er keinen rechten Plan besaß außer der Konfrontation. Darüber hinaus erkannte er, dass er sich einem dieser Momente näherte, wo Denken und Handeln zusammenfallen. Er rannte durch die Dunkelheit, und der Rhythmus seiner Sohlen auf dem Teer vermischte sich mit den vertrauten Geräuschen der Nacht: das gelegentliche Rascheln eines Opossums im Unterholz, das Zirpen der Zikaden in einem nahegelegenen Feld. Er wünschte, er hätte sich in Luft auflösen können.
    Während er lief, fragte er sich: Wirst du heute Nacht einen Menschen töten?
    Er wusste die Antwort nicht.
    Dann fragte er: Bist du
bereit
, heute Nacht jemanden zu töten?
    Auf diese Frage fiel die Antwort bedeutend leichter. Er merkte, dass ein beträchtlicher Teil von ihm die Frage bejahen konnte. Es war der Teil von ihm, den er in den Monaten nachseinem Ende aus einer bruchstückhaften Identität zusammengebastelt hatte. Der Teil von ihm, der sich begierig auf sämtliche Mordmethoden, auf sämtliche chaotischen Quellen gestürzt hatte, die er in der Stadtbücherei hatte finden können, der Teil von ihm, der sein Können am Schießstand vervollkommnet hatte.
    Als er die Einfahrt zu dem Haus erreichte, blieb er stehen. Drinnen stand das Telefon mit der wohlbekannten Nummer. Für einen Moment erinnerte er sich, wie er vor einem Jahr zwischen

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