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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Rechtsstreit also.
    Er wusste noch nicht, vor welchem Gericht der Fall verhandelt wurde, doch ein kurzer Ausflug zu einem Angestellten mit einem Computer und Zugang zu den aktuellen Terminen würde ihn wohl zutage fördern.
    Ricky wandte sich wieder der Enzyklopädie zu und konzentrierte sich auf den Mann im Zentrum des ganzen Dramas: Rumpelstilzchen. Er ging zu dem Abschnitt unter P, der Psychopathen abhandelte. Eine Unterspalte davon war GEMEINGEFÄHRLICH betitelt.
    Und dort stieß er erwartungsgemäß auf die markierten Stellen.
    Mithilfe des vertrauten Schlüssels dechiffrierte Ricky die Buchstaben schnell und schrieb sie auf ein Blatt Papier. Als er fertig war, setzte er sich aufrecht hin und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann zerknüllte er das Blatt in seiner Hand und warf es wütend Richtung Papierkorb.
    Er ließ eine Reihe Schimpfwörter vom Stapel, obschon er, wenn er ehrlich war, zugeben musste, dass er fast mit diesem Ergebnis gerechnet hatte.
    Die Botschaft, die er entschlüsselt hatte, lautete: DEN NICHT.
     
    Ricky hatte nicht viel Schlaf bekommen, doch das Adrenalin gab ihm Energie. Er duschte, rasierte sich und zog sich an, mit Jackett und Krawatte. Ein Mittagsausflug zum Büro eines Angestellten in der Gerichtsverwaltung und ein bisschen Schmeichelei gegenüber einer der ungeduldigen Assistentinnen hinter der Theke hatten ihm einige Informationen über Arneson gegen Fortier verschafft. Es war ein zivilrechtlicherStreit vor einer höheren Instanz, und für den nächsten Morgen war eine Anhörung im Vorfeld der Verhandlung anberaumt. So weit er es verstand, ging es um ein Immobiliengeschäft, das schief gegangen war. Zwischen zwei betuchten Bauunternehmern aus Midtown-Manhattan gab es diverse Forderungen und Gegenforderungen und offenbar beträchtliche Summen, die in den Sand gesetzt worden waren. Die Art Verfahren, nahm Ricky an, bei dem alle Beteiligten wütend und wohlhabend und wenig kompromissbereit waren, so dass am Ende jeder verlieren würde außer den Anwälten der Kontrahenten, denen ein dicker Scheck sicher war. Das Ganze war so ganz und gar alltäglich und gewöhnlich, dass Ricky fast Verachtung empfand. Doch mit einer gehörigen Portion Gehässigkeit dachte er daran, dass er inmitten all des Imponiergehabes, dem Schlagabtausch der Argumente und Drohungen, den sich diese Handvoll Anwälte morgen lieferten, Merlin finden würde.
    Dem Gerichtsterminplan waren die Namen sämtlicher Beteiligten zu entnehmen. Keiner sprang ihm ins Auge, und doch war einer davon der Mann, den er suchte.
    Obwohl die Anhörung erst für den folgenden Morgen anberaumt war, ging Ricky bereits an diesem Nachmittag zum Gericht. Ein Weilchen stand er vor dem riesigen Gebäude und sah die weitläufige Treppe, die zu dem Säulenvorbau führte. Er nahm an, dass es den Architekten vor Dutzenden von Jahren darum gegangen war, Justitia Erhabenheit und Größe zu verleihen, doch nach allem, was er durchgemacht hatte, war Rickys Bild von der Justiz derart geschrumpft, dass sie in einen Pappkarton passte.
    Er ging hinein, lief durch die Flure, die zu den Gerichtssälen führten, und reihte sich in das ständige Kommen und Gehen der Menschen ein, während er sich die Fahrstühle und dieTreppenhäuser der Notausgänge merkte. Ihm kam der Gedanke, dass er einfach den für Arneson gegen Fortier zuständigen Richter in Erfahrung bringen und seiner Sekretärin Merlin beschreiben musste, um zu erfahren, wer er war. Doch eine solch plumpe Vorgehensweise würde wohl allzu schnell Verdacht erregen. Jemand erinnerte sich vielleicht später daran, nachdem er erreicht hatte, was er erreichen wollte.
    Ricky – der die ganze Zeit wie Frederick Lazarus argumentierte – wollte, dass das, was er vorhatte, vollkommen anonym verlief.
    Er sah etwas, das ihm helfen konnte: Die Menschen, die durch das Gerichtsgebäude wanderten, ließen sich klar in verschiedene Kategorien aufteilen. Die Anzüge mit Weste gehörten eindeutig den Anwälten, die hier praktizierten. Dann kamen die weniger betuchten, doch immer noch präsentablen Leute. Hierzu zählte Ricky die Polizisten, Geschworenen, Kläger und Angeklagten sowie das Gerichtspersonal. All diejenigen, die mehr oder weniger Grund hatten, hier zu sein, und wussten, welche Rolle sie im Getriebe spielten. Und dann gab es eine dritte Gruppe, die Ricky faszinierte: die Schaulustigen. Seine Frau hatte sie ihm einmal beschrieben, lange bevor ihre Krankheit festgestellt wurde und lange bevor ihr Leben nur

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