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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht untergekommen war. Der Mann, der ihn behandelt hatte, um ihn durch seine eigenen Persönlichkeitsstrukturen zu geleiten, der ihn in seinen Beruf eingeführt und jetzt die Mittel für seinen Tod bereitgestellt hatte, dieser Mann hatte eine letzte Botschaft übermittelt. Ricky fühlte sich wie ein chinesischer Mathematiker von einst an einem Abakus, dessen schwarze Steine mit einem klickenden Geräusch von einer Seite zur anderen geschoben und schließlich überflüssig werden, sobald die Gleichung wächst.
    Er fragte sich: Was ist Fakt?
    In seiner Vorstellung formierte sich ein Bild: als erstes das von Virgil. Dr. Lewis sagte, sie sei Schauspielerin, was Sinn ergab, da sie ihm immer etwas vorgespielt hatte. Das Kind aus ärmlichen Verhältnissen, das jüngste von dreien, das in solch schwindelerregendem Tempo von ganz unten nach ziemlich weit oben aufgestiegen war. Wie musste sich das wohl auf sie ausgewirkt haben? In ihrem Unterbewusstsein schwelten zweifellos Fragen der Identität – die Frage, wer sie wirklichwar. Daher die Wahl eines Berufs, der ihr abverlangte, sich immer wieder neu zu definieren. Ein Chamäleon, bei dem die Rollen über die Wahrheit siegten. Ricky nickte. Eine gewisse aggressive Neigung dazu und eine Gereiztheit, die von Bitterkeit zeugte. Er dachte an sämtliche Faktoren, die sie zu dem gemacht hatten, was sie war, und wie begierig sie die Hauptrolle in dem Drama übernommen hatte, das ihn in den Tod gerissen hatte.
    Ricky wechselte die Stellung. Mach einen Vorschlag, sagte er sich. Einen fachmännischen Vorschlag.
    Narzisstische Persönlichkeitsstörung.
    Er schlug die Enzyklopädie unter dem Buchstaben N auf und dort unter dieser speziellen Diagnose.
    Sein Puls beschleunigte sich. Er sah, dass Dr. Lewis mehrere Buchstaben jeweils mitten in einem Wort mit gelbem Textmarker angestrichen hatte. Ricky schnappte sich ein Blatt Papier und schrieb sich die Buchstaben auf. Dann sackte er an die Rückenlehne und starrte auf das Kauderwelsch. Es ergab keinen Sinn. Er starrte wieder auf den Eintrag in der Enzyklopädie und erinnerte sich an den Schlüssel: eins Strich drei. Diesmal ging er jeweils drei Buchstaben weiter und schrieb sie auf. Wieder ergebnislos.
    Er überlegte noch einmal. Jetzt nahm er sich die Buchstaben drei Wörter weiter vor. Doch bevor er sie aufschrieb, kam er auf die Idee, eins durch drei, und so wanderte er stattdessen drei Zeilen weiter hinunter.
    Dort ergaben die ersten drei Stellen ein Wort: DIE.
    Nach demselben Schema verfuhr er weiter und gelangte zum nächsten Wort: JONES.
    Blieben noch sechs. Nach demselben Muster übertragen lauteten sie AGENTUR.
    Ricky stand auf und ging zum Nachttisch neben dem Bett,wo sich unter dem Telefon ein Telefonbuch von New York befand.
    Er sah unter der Sektion Schauspieler nach und fand in einer Reihe Einträge eine kleine Werbeanzeige mit Telefonnummer der »Agentur Jones – Theater- und Talente-Agentur für die aufsteigenden Stars von morgen …«
    Eins zu null für ihn.
    Und nun Anwalt Merlin.
    Er führte sich den Mann vor Augen: sorgfältig gekämmtes Haar; Anzüge, die ihm auf den Leib geschneidert schienen und nicht ein Fältchen warfen. Selbst seine Freizeitkleidung war steif gewesen. Ricky dachte an die Hände des Mannes. Die Fingernägel waren manikürt. Ein mittleres Kind, das alles in bester Ordnung haben wollte und das Durcheinander, das all die Störfaktoren in einer frühen Kindheit mit sich brachten, nicht ertragen konnte. Diese Vergangenheit musste ihm zuwider, die Sicherheit, die ihm sein Adoptivvater bot, dagegen ein heiliges Gut gewesen sein, auch wenn ihn der alte Analytiker systematisch verbogen hatte. Er war der Organisator, der Macher, der Mann, der mit Drohungen und Geld hantierte und mühelos über Rickys Leben hergefallen war.
    Die Diagnose bereitete ebenfalls keine Mühe: Zwangsneurose.
    Hastig schlug er das entsprechende Stichwort auf und stieß auf dieselben markierten Buchstaben. Mithilfe des Schlüssels hatte er rasch ein Wort ermittelt, das ihn verblüffte: ARNESON. Es war nicht direkt ein Buchstabensalat, doch anfangen konnte er damit nichts.
    Er dachte nach. Das schien keinen Sinn zu ergeben. Unverdrossen machte er weiter und stellte fest, dass als Nächstes der Buchstabe G an der Reihe war.
    Ricky überprüfte noch einmal den Schlüssel, runzelte dieStirn und hatte plötzlich begriffen, was er da an die Hand bekam. Die übrigen Buchstaben ergaben das Wort: FORTIER. Arneson gegen Fortier. Ein

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