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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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begegnet, der Flickschneiderin von Oberlinden und zugleich ärgsten Schwatzbase der ganzen Stadt.
    «Hast schon gehört? Euer Meinwart sitzt im Turm ein.»
    «Was soll das heißen – unser Meinwart?»
    «Ja sag bloß – ist denn deine Johanna diesem Tagdieb nicht zum Weib versprochen?» Thine sprach so laut, dass alle Umstehenden sie hören konnten.
    Clara betrachtete sie mit kühlem Blick. «Da musst du was gründlich vermischt haben. Unsre Kinder sind zusammen aufgewachsen, das ist alles. – Wer die Wahrheit nicht kennt», fügte sie bissig hinzu, «sollte lieber einmal zu viel als zu wenig die Goschen halten. Damit du’s weißt: Der Tuchersohn kümmert mich einen Muckenschiss.»
    Das war schlichtweg gelogen. Innerlich war Clara alles andere als gefasst, brannte darauf, jede Einzelheit zu erfahren. Doch um nichts auf der Welt von dieser Frau, dazu noch inmitten eines Haufens geschwätziger Weiber. Beim Fleischer schließlich, einem besonnenen Mann, dem man Neuigkeiten eher aus der Nase ziehen musste, erfuhr sie das Restliche. Meinwart habe seinem Lehrherrn, dem dritten nun schon innerhalb weniger Jahre, eine Geldsumme unterschlagen. Habe wohl, nachdem er vom Würzkrämer Nussgeld in die Kunst der Buchführung eingewiesen worden war, mindere Einnahmen im Rechnungsbuch verzeichnet und den Rest in die eigene Tasche gesteckt.
    Für diesmal würde es für Gottfried Tucher schwierig werden, seinen ungeratenen Sprössling herauszubekommen. Die beidenletzten Male, als Meinwart wegen nächtlichen Raufhändels und Trunkenheit auf der Gasse für drei Tage im Strafturm hätte einsitzen sollen, verschärft durch schmale Kost bei Wasser und Brot, hatte sein Vater die Schöffen noch zu einer Bußgabe von zwanzig Pfund Wachs umstimmen können.
    Bei einem solchen Bubenstück wie Betrug freilich drohte die weit härtere Leibesstrafe, die zudem öffentlich nach dem Gottesdienst von der Kanzel verkündet und am Markttag ausgeführt wurde: im günstigen Fall Rutenstreiche, im ärgsten Fingerabschneiden mit anschließendem Stadtverweis. Das galt zumindest für den gemeinen Mann. Leute wie die Tuchers vermochten eine solche Strafe fast immer mit einer hohen Geldbuße abzuwenden.
    Wie dem auch sei – Clara hatte endgültig genug von Meinwarts Possen. Sie würde Heinrich als Hausvater bitten, Rat zu halten. Dieses unglückselige Eheversprechen musste umgehend rückgängig gemacht werden. Leid tat ihr bei alledem nur Mechthild Tucher, die ihr in den Jahren der Nachbarschaft zur Freundin geworden war. Oft hatten sie Gartensamen und Stecklinge, Heil- und Küchenrezepte ausgetauscht. Eine gute Seele war die Tucherin, vielleicht ein bisschen zu fügsam und demütig für ihren selbstgefälligen Ehegenossen und ihre vier großspurigen, mehr oder minder missratenen Söhne. Sie würde wieder einmal alles ausbaden müssen.
    Leise ließ Clara hinter sich die Haustür ins Schloss fallen.
    «Clara? Bist du das?»
    Sie unterdrückte ein Seufzen. Eigentlich hatte sie sich unbemerkt in die Küche schleichen wollen, nun aber musste sie wohl oder übel ihren Pflichten als gastliche Wirtin nachkommen.
    Sie trat durch die angelehnte Stubentür und traute ihren Augen nicht. Es war der Schultheiß in Person, der da miteingeseiftem Gesicht mitten in der Stube auf dem Scherenstuhl saß, jener Ritter Johann Snewlin, genannt der Grüninger, der das wichtigste Amt der Stadt innehatte. Zusammen mit der Schöffenbank aus städtischen Ratsherren richtete er über alles, was nicht ausdrücklich den gräflichen Stadtherren vorbehalten war. Und nicht nur das – der Snewlin’schen Sippschaft gehörte inzwischen das halbe Breisgau und eine der ergiebigsten Silbergruben am Gewann Schauinsland. Der höchste Adel stand in ihrer Schuld, allen voran die Grafen von Freiburg.
    Jetzt, mit dem himmelblauen Umhang über dem Oberkörper und Heinrichs Schermesser vor Augen, wirkte der Edelmann indessen eher selbst wie einer seiner Delinquenten vor dem Verhör. Hinter ihm füllte Johanna, das Gesicht vor Eifer gerötet, frisches Wasser ins Waschbecken.
    Clara deutete einen Knicks an. «Gott zum Gruße, Herr Ritter. Der gräfliche Hofbarbier ist doch wohl nicht ernsthaft erkrankt, dass Ihr unser bescheidenes Haus aufsucht?»
    Sie konnte nicht vermeiden, dass sich leiser Spott in ihre Stimme mischte. Doch der Schultheiß schien es nicht zu bemerken. Dafür warf ihr Heinrich ob ihrer unbotmäßigen Neugier einen ärgerlichen Blick zu, das spürte sie genau.
    «Gott zum Gruße,

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