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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Stadtmauer hin. Betrat man den Hof von der Küche her, lagen rechter Hand, überragt von dem mächtigen Turm des nahen Christoffeltores, der Brennholzschuppen und der Hühnerstall. Dazwischen versteckte sich, unter einem schützenden Bretterdach, der Abtritt über der Abortgrube. Wie bei den Vornehmen hatte Benedikt die Hofeinfahrt mit Bruchsteinen gepflastert, bis hinüber zum Schuppen und zu den Beeten entlang der Stadtmauer. Dort zog Clara ihre Gemüsepflanzen, gedeihten Zwiebeln, Kohl und Fenchel, Bohnen, Mangold, Pastinak. Dazwischen hatte sie allerlei Speisengewürze gepflanzt und in einem eigenen kleinen Heilkräutergarten alles, was siefür ihre Salben und Tränke als wichtig erachtete. Auch für das Schöne war gesorgt: Von den ersten blauen Duftveilchen zwischen gelbem Winterling über rote Rosen und Pfingstrosen, Akelei und allerlei Lilien bis hin zu den herbstlichen Bergastern grünte und blühte es bald das ganze Jahr über. Ihren kleinen Garten Eden nannte Clara es im Stillen, wenn sie sich im Sommer einmal die Muße gönnte und auf der Bank im Schatten des Apfelbäumchens den kräftigen Duft der Kräuter und den Anblick der bunten Blüten genoss.
    Über einen eigenen Brunnen wie etwa Noah Liebekind verfügten sie selbstredend nicht, aber dafür hatte Heinrich vor vielen Jahren entlang der Traufseite des Daches eine hölzerne Rinne gezimmert, die das Regenwasser in einem mächtigen Fass sammelte. Das lehnte an der Mauer zu den Grünbaums. Clara würde nie vergessen, wie Benedikt darin als Kind einmal beinahe ertrunken wäre. Es war nach einem Sommergewitter gewesen. In einem wilden Sturzbach hatte das Wasser aus der Regenrinne das Fass binnen kürzester Zeit gefüllt. Als wenig später wieder die Sonne am Himmel stand, war Benedikt auf den Rand des Fasses geklettert, um über die Mauer zur Grünbaumtochter zu gelangen, die auf der anderen Seite im Garten spielte. Beim Hochhangeln auf die Mauerkrone war er mit seinen nassen Füßen abgeglitten und in die Wassertonne gerutscht. Clara hatte von der Küche her das Klatschen gehört, mehrfach hintereinander, indessen keinen einzigen Schrei, kein Rufen, nichts. Gleichwohl hatte es sie hinausgetrieben, gerade noch rechtzeitig. Eine kleine Faust schnellte aus der Tonne und verschwand wieder, sie streckte ihre Arme bis zu den Achseln in das Dunkel der Tonne, deren Rand selbst ihr bis über die Brust reichte. Es war gar nicht einfach gewesen, den glitschigen, zappelnden Körper zu fassen zu kriegen. Und als sie denJungen endlich heraußen hatte, war sie sich sicher: Ihr Ältester war tot!
    Doch als Frau eines Wundarztes tat sie, ohne nachzudenken, das Richtige. Sie legte den Jungen auf die Seite, drückte und schüttelte ihn, bis er einen Schwall Wasser erbrach und die Augen aufschlug. Da war sie neben ihm zusammengebrochen und hatte unter Tränen ihre Dankgebete geschluchzt. Von seinem Vater hatte Benedikt am selben Abend allerdings eine Tracht Prügel für seine Dummheit bezogen, und Clara war hin und her gerissen gewesen zwischen Mitleid und Genugtuung. Vielleicht war das dem Jungen endlich eine Lehre, dem Nachbarmädchen nicht mehr wie ein Hund hinterherzulaufen.
     
    Clara stellte ihren Korb ab und öffnete mit klammen Fingern das Hoftor. Seit kurz nach Weihnachten dauerte nun schon der Frost, ohne eine einzige Unterbrechung, und Clara fürchtete, wie jedes Jahr, dass ihre Vorräte an Brennholz vorzeitig zur Neige gehen könnten. Für die Reisenden freilich war dieses Wetter von Vorteil. Ungehindert kamen die Fuhrleute und Händler nun über die festgefrorenen Fahrwege von überall her und brachten ihre Waren und Neuigkeiten. Von Heinrich wusste sie, wie wichtig der Fernhandel für ihre Stadt war. Sie selbst hingegen war nie bis über den Rhein und die ersten Hügel des Waldgebirges hinausgekommen.
    Als sie eben unter dem Stubenfenster vorbeigegangen war, hatte sie zwei Schatten hinter der Bespannung wahrgenommen. Heinrich hatte also Kundschaft. Sie verspürte keinerlei Neigung, einem dieser dünkelhaften Herren zu begegnen, die, kaum waren sie in den Rat gewählt, den gemeinen Mann auf der Straße nicht mehr zu kennen schienen. Zwar nahmen sie gern Heinrichs Dienste in Anspruch, doch in ihren Augenwar er noch immer der Nachfahr eines einfachen Badknechts, nichts mehr.
    Ihre Laune war für diesen Morgen ohnehin gründlich verdorben. Erst hatte am Rindermarktbrunnen eine schwarze Katze ihren Weg gekreuzt, danach war sie vor dem Backhaus ausgerechnet Thine

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