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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ihm die Gelegenheit gerade recht, um die von ihm begangene Tat zu verschleiern und den Argwohn in eine andere Richtung zu lenken. Er wusste natürlich, dass es ihm letztendlich wohl kaum gelingen würde, Lodewig als Frauenschänder und Mörder dastehen zu lassen. Deswegen war er schon froh, selbst nicht in Verdacht geraten zu sein, und zufrieden, dass sich die Leute wenigstens vorübergehend mit einem anderen beschäftigten. Und später wird sich niemand mehr ernsthaft dafür interessieren, hoffte er.
    Aber er hatte die Rechnung ohne Melchior gemacht. Der blitzgescheite Leinwebersohn war ebenso groß und kräftig wie der Schmied, weswegen er sich nicht vor ihm fürchtete. Melchior ließ nichts unversucht, seinen besten Freund aus der Schusslinie zu ziehen. Ohne einen Beweis für Lodewigs Unschuld zu haben, aber mit geschliffenen Worten und schlagenden Argumenten, wie sie bei einem einfachen Handwerker mehr als selten vorkamen, schaffte er es zunächst tatsächlich, den allseits als ehrbar und unbescholten geltenden Sohn des Kastellans vom unglaublichen Vorwurf der Schändung mit Todesfolge zu befreien. Ernsthaft hatte dies sowieso kaum jemand geglaubt.
    Es gelang Melchior sogar auch noch, einige seiner Altersgenossen für die Bildung eines Suchtrupps zu begeistern. Gerade als er die einzelnen Namen derer, die sich an der Suche nach Lodewig beteiligen wollten, aufzählte, sah er, wie Baltus, der 12-jährige Sohn des Schmieds, sich plump durch die Menschenmenge drängte und sich an seinen Vater hängte, von diesem aber unwirsch nach hinten geschoben wurde. Der trotz allgemeiner Hungersnot fettleibige Knabe war weiß Gott von einfachem Gemüt. Man konnte auch sagen, dass er geistig zurückgeblieben war. Sein dümmlicher Gesichtsausdruck verstärkte zudem diesen Eindruck. Dazu kam noch, dass Baltus ein überaus unangenehmer Raufbold war, mit dem sich niemand abgeben wollte. Er hatte keinen einzigen Freund. Dennoch fand Melchior sofort großes Interesse an dem feisten Ekelpaket.
    »Was ist los, Schmied? Warum versteckt Ihr Euren missratenen Sohn vor uns?«
    »Von wegen ›missraten‹!« Baptist Vögel schob Baltus noch weiter hinter sich und fragte Melchior unwirsch, wessen er sich erdreiste und was ihn dies überhaupt anginge.
    Der junge Leineweber schaute ins Rund, bevor er den bulligen Schmied höflich, aber bestimmt bat: »Tut uns allen den Gefallen und lasst Euren Sohn vortreten.«
    »Du glaubst wohl, weil du der Freund des feinen Verwaltersöhnchens bist, kannst du dir alles erlauben«, knurrte dieser und schob Baltus noch weiter hinter sich. »Mein Sohn bleibt, wo er ist!«
    »Aber, aber; mein werter Herr Vögel, Euer Sohn hat doch nichts zu verbergen, … oder?«, säuselte Melchior betont freundlich, um den bärbeißigen Mann endlich dazu zu bringen, den Jungen zu zeigen.
    Da die Umstehenden ebenso wenig wie Baltus wussten, was Melchior von ihm wollte, aber eine Sensation witterten, begannen sie zuerst zu tuscheln, dann Melchior zu unterstützen, indem sie laut riefen, dass Baltus vortreten solle: »Baltus! – Baltus«, schallte es bald im Chor. Als die Menschen ihre Rufe auch noch mit rhythmisch hochschnellenden und zu Fäusten geballten Händen unterstrichen, blieb dem Schmied nichts anderes übrig, als seinen Sohn nach vorne zu zerren.
    »Na also, warum nicht gleich«, lobte Melchior, während er beide Arme seitlich von sich streckte und die Hände mit den Handflächen nach unten hochhielt, um sie wie ein Vogel schwingen zu lassen. Dadurch wollte er die Menge zum Schweigen bringen.
    Es wurde still.
    Der ansonsten rotzfreche Sohn des Schmieds blickte kleinlaut zu seinem Vater hoch, während der so dumm dreinschaute wie seine missratene Brut.
    »Und? Habt Ihr uns nichts zu sagen, Schmied?« Melchiors bisher freundlich klingender Tonfall hatte sich merklich verschärft.
    Jetzt war es mucksmäuschenstill – die Versammelten wagten kaum zu atmen und kein Lüftchen rührte sich.
    Da Melchior keine Antwort bekam, zeigte er auf Baltus, der ängstlich zusammenzuckte.
    »Euer Sohn trägt ein Lederwams, welches für einen Handwerkersohn unbezahlbar und zudem zu groß ist!«
    »Der … der … «
    »Herr Vögel! Es hat keinen Sinn zu lügen. – Wessen Wams ist das?«, gab Melchior dem Schmied keine Möglichkeit, sich eine Ausrede einfallen zu lassen.
    Da der Vater im Gegensatz zu seinem Sohn nicht dumm war, wusste er selbst, dass es sinnlos war, den Umstehenden ein Lügenmärchen vorzusetzen.
    Also beschloss er, die

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