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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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sich zwei dumme Gören kichernd über Lodewigs gutes Aussehen unterhielten.
    »Oder er liegt schwer verletzt in irgendeiner Schlucht«, meinte einer von Lodewigs Altersgenossen zu den Umstehenden und setzte dabei eine Miene auf, als wüsste er es sicher.
    Da der Standesunterschied zwischen ihnen und den Dreylings von Wagrain zu groß war, hätten sie sich bis vor Kurzem weitaus weniger Gedanken um das Wohlergehen eines der Mitglieder dieser niederadligen Familie gemacht. Nach längerer Debatte zeigte sich aber, dass den meisten von ihnen Lodewigs Wohlergehen doch irgendwie am Herzen lag. Immerhin war der Sohn des Kastellans durch seine beherzte Suche nach den Leichen der beiden Juden in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten und hatte deren Bewunderung errungen, weil er nicht nur ganz allein Jakobs sterbliche Überreste aus der Brandruine geborgen, sondern auch noch Leas Leben gerettet hatte. Dadurch hatte Lodewig die Schuld, die sie selbst auf sich geladen hatten, als sie das Bomberg’sche Anwesen abgefackelt hatten, quasi halbiert. Somit mussten sie ›nur noch‹ eines anstatt zwei Brandopfer verantworten, weshalb sie sich Lodewig im Nachhinein zu Dank verpflichtet fühlten – so zumindest sahen es die Mehrheit der durchwegs einfältigen Brandleger und deren Familienangehörige.
     
    Lodewigs rätselhaftes Verschwinden hatte längst das ganze Dorf in Bewegung gebracht. Die Staufner trafen sich – als wenn sie sich verabredet hätten – an mehreren Stellen, um diesbezügliche Neuigkeiten auszutauschen oder Interessantes in Erfahrung zu bringen. Nachdem sich zuerst ein stattliches Grüppchen auf dem Marktplatz versammelt hatte, fanden sich jetzt auch noch über zwanzig Menschen auf dem Platz vor dem Kirchenportal zusammen. Einzelne unterhielten sich vor den Hauseingängen oder in den Straßen und Gassen. Es war lange her, dass so viele Menschen auf einmal ihre Behausungen verlassen hatten.
    Überall sah man Leute, die glaubten, ihre Meinung abgeben zu müssen und teilweise abenteuerliche Mutmaßungen anzustellen. Da mittlerweile auch die Leiche der geschändeten Frau allseits ›begutachtet‹ worden war, nachdem sie auf Geheiß des Kastellans von Ignaz und Rudolph in die St. Martins-Kapelle gebracht worden war, während der Blaufärber ein linnenes Tuch besorgt hatte, um sie zu bedecken, schossen die Gerüchte ins Kraut. Für die meisten war schnell klar, dass die beiden Themen irgendwie zusammenhingen, obwohl sie Lodewig ein derart scheußliches Verbrechen eigentlich nicht wirklich zutrauten.
     
    Außer dem Schmied Baptist Vögel – der sofort nach Hause geflüchtet war, nachdem er die Frau geschändet hatte und vom Sohn des Kastellans gesehen worden war, vermochte kein Einziger von ihnen auch nur im Entferntesten eine Verbindung, geschweige denn einen konkreten Zusammenhang zwischen Lodewig und dem bedauernswerten Geschöpf herzustellen. Dennoch war er irgendwie in Verdacht geraten, etwas mit deren Schändung und ihrem offenkundig damit zusammenhängenden Tod zu tun zu haben. Immerhin war die Frau die Erste, die scheinbar nicht an der Pest gestorben war … oder doch? War die grausame Seuche zurückgekommen und hatte sich das erste neue Opfer geholt? Schon wieder waren die geplagten Staufner verunsichert.
    So oder so schien ihnen das merkwürdige Ableben der jungen Frau verdächtig genug, um endlich wieder einmal dummes Zeug daherreden zu können, ohne dass dies jemandem auffallen würde.
    »Vielleicht hat er ja tatsächlich Unrecht getan und musste aus Staufen fliehen?«, stellte ausgerechnet derjenige in den Raum, der die Schuld daran trug, dass der stets ehrbare und unbescholtene Sohn des Kastellans einer Schändung mit Todesfolge verdächtigt wurde. Damit lenkte er erfolgreich von sich ab, obwohl sowieso niemals ein Zusammenhang zwischen ihm und der durch ihn geschändeten Frau hergestellt werden konnte. Wie auch? Nicht einmal Lodewig hatte sein Gesicht gesehen!
    »He, Schmied! Jetzt haltet mit Eurem dummen Geschwätz inne«, schrie Melchior Henne den allseits unbeliebten Mann an. »Sonst … !«
    »Was ist sonst? … Hä? … Was? Das weiß doch das ganze Dorf, dass Lodewig dein bester Freund ist! Deswegen nimmst du ihn jetzt ja in Schutz«, konterte der alleinerziehende Wittiber , dem es nicht gelingen mochte, seinen einzigen Sohn Baltus zu einem wenigstens einigermaßen anständigen Menschen zu erziehen.
    Da er selbst genügend Dreck am Stecken hatte und der Verursacher dieser Diskussion war, kam

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