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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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rutschte und dabei ein schabendes Geräusch verursachte.
    »Pssst! Hast du das gehört?«, fragte Nepomuk und hielt Ulrich am Ärmel fest. Aber dem Kastellan war nichts aufgefallen, weil er sich kurz zuvor gedankenverloren umgedreht hatte und ein paar Fuß zurückgelaufen war, um zwischen den Bäumen die Rochuskapelle, die man jetzt als ›Pestkapelle‹ bezeichnete, ausmachen zu können. »Wie? Was meinst du?«
    »Ich habe dich gefragt, ob du etwas gehört hast.«
    »Nein! Was soll ich denn gehört haben? Meine Gedanken waren woanders. Ich habe gerade beschlossen, dem Grafen vorzuschlagen, eine Steinmauer um den Pestfriedhof hochziehen zu lassen, damit den bedauernswerten Opfern der wohl schlimmsten Zeit, die Staufen je erlebt hat, ein würdigerer Platz gegeben wird als eine Viehweide. Außerdem muss ein großes Kreuz errichtet werden. Ja, ein guter Gedanke – vielleicht sogar ein eisernes Kreuz von der Weißacher Schmiede, an der wir vorher vorbeigegangen sind? … Und eine steinerne Gedenktafel mit passender Inschrift«, sinnierte er laut.
    Da der Kastellan scheinbar nichts gehört hatte, glaubte Nepomuk, sich geirrt zu haben, und ging auf das Thema seines Freundes ein: »Da hast du wohl recht. Es ist unsere Christenpflicht, die Toten zu ehren, indem wir sie nach Gottes Gesetz in geweihte Erde betten und einen Platz des ewigen Gedenkens daraus machen. Aber dazu müssten die vielen Toten, die immer noch überall herumliegen, erst noch ein ordentliches Begräbnis bekommen.«
    »Ja, ich bin völlig deiner Meinung!« Ulrich Dreyling von Wagrain nickte zustimmend, bevor er weitersprach: »Es ist nicht zu fassen, was wir hier zu sehen bekommen haben. Wir haben Lodewig und den Totengräber gesucht, aber stattdessen mehr als zwei Dutzend Leichen gefunden.«
    »Fürwahr ein schreckliches Bild! Warum die vielen Leiber entweder aufeinandergeschichtet oder in ausgehobene Gruben geworfen wurden, ohne dass man diese wieder zugeschüttet hat, weiß der Himmel. Gut, dass wir hierhergekommen sind. So konnte ich sie wenigstens noch segnen«, freute sich der Benediktinermönch, der Wasser aus der Weißach geholt und dieses kurzerhand zu Weihwasser erklärt hatte.
    »Und meine Pflicht ist es jetzt, Fabio zu finden, um ihm aufzutragen, die Toten ordentlich zu begraben. Ich werde ihm dafür Geld aus der Schlossschatulle geben, obwohl dies nicht unbedingt meine Sache wäre«, ergänzte der Kastellan, erreichte damit aber nur, dass dies von Nepomuk mit einem süffisanten »Wie selbstlos!« kommentiert wurde.
     
    Zwischenzeitlich waren sie an dem etwas versteckt liegenden Heustadel angelangt und setzten sich auf einen direkt davorstehenden Fuderwagen. Die Nachmittagssonne tat beiden gut. Sie saßen eine ganze Weile schweigend da und genossen die letzten Sonnenstrahlen des Tages.
    »Wer weiß, wie viel Sonne wir in diesem Jahr noch bekommen«, brach Nepomuk die Stille.
    »Offensichtlich möchte der Winter noch nicht so richtig Einzug halten. Das bisschen Schnee von gestern Nacht ist hier im Tal in weiten Teilen schon wieder weggeapert«, stellte Ulrich Dreyling von Wagrain fast etwas überrascht fest.
    »Und wie geht es jetzt weiter?«, kam Nepomuk zum eigentlichen Grund ihres Hierseins zurück.
    Der Kastellan schnaufte tief durch. »Lass mich überlegen: Auf dem Pestfriedhof war schon ein ganzes Weilchen niemand mehr. Wir haben keine frischen Spuren oder sonst ein Anzeichen dafür gefunden, dass der Totengräber in der vergangenen Nacht hier war und neue Pestopfer … «, er schnaufte tief durch, bevor er weitersprach, »oder Lodewig dort abgelegt hat. Sämtlichen Toten sieht man an, dass sie schon länger hier liegen«, rümpfte er die Nase.
    »Ja«, bestätigte sein Freund. »Ganz offensichtlich hat er deinen Sohn nicht hier abgeliefert. Wir haben im Umkreis alles abgesucht und keinen frischen Aushub entdeckt.«
    »Aber der verdammte Blaufärber hat ihn – mit dem Leichenwagen Richtung Weißach ziehend – gesehen.«
    Ulrich faltete die Hände vor dem Mund und schloss die Augen, während er sich krampfhaft bemühte, in ruhigem Ton weiterzusprechen: »Der Totengräber hat bereits drei Knaben umgebracht. Darunter meinen geliebten Sohn Diederich. Und vermutlich hat er jetzt auch noch Lodewig in seiner Gewalt. Möglicherweise … oder wahrscheinlich hat er ihn ebenfalls schon getötet und somit sein Ziel, wegen seiner Beteiligung an den ›Pestmorden‹ nicht mehr verraten werden zu können, erreicht.«
    »Wenn dem so wäre, müsste

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