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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Lodewig, dem der Transport vom Schloss zur Kirche zwar zusätzliche Schmerzen verursacht hatte, die er jedoch aufgrund von Eginhards Rückkehr und dem, was sie jetzt gemeinsam vorhatten, gerne in Kauf nahm und recht gut zu verdrängen vermochte.
    Er hatte sich nicht davon abbringen lassen, bei der Überraschung für seine Mutter und seine Schwiegermutter dabei zu sein.
    »Aber … ?«, stotterte der immer noch sichtlich verwirrte Kastellan, dem Eginhard eine Erklärung in Kurzform gab. »Du konntest es nicht wissen, Vater! Und ich hatte keine Möglichkeit, dich darüber zu informieren, dass ich erst heute komme. Und dass ich darüber hinaus auch noch so spät eingetroffen bin, tut mir in der Tat leid – gerade heute, am Heiligen Abend. Aber aufgrund des vielen Schnees war meine Reise von Bregenz hierher überaus beschwerlich und hat sich gewaltig in die Länge gezogen. Ich bin froh, dass ich es überhaupt noch geschafft habe und nicht irgendwo in einem Heustadel übernachten muss. Als ich endlich im Schloss angekommen bin, waren außer Siegbert und Ignaz nur noch Rosalinde, Sarah, Lodewig und … das Kind da.«
    Eginhard ging zu Sarah und streichelte dem Kleinen, dessen Köpfchen sich ganz unter dicker Wolle und Schafsfell versteckte, zart über den eingemummelten Körper, bevor er fortfuhr: »Und da ihr offensichtlich erst kurz zuvor zur Kirche gegangen seid, haben wir beschlossen, aus deiner Überraschung für Mutter und Frau Bomberg auch noch eine Überraschung für dich zu machen.« Eginhard grinste vielsagend. »Die Zeit dazu haben wir ja gehabt. Ich habe mich schnell der nassen Kleider entledigt, mich gewaschen und neu gewandet. Währenddessen hat Rosalinde aus Kräutern – die ich mitgebracht habe – für Lodewig einen schmerzlindernden Sud bereitet, bevor sie mein total erschöpftes Pferd versorgt hat.
    Sie war zwar einen Moment enttäuscht, dass sie jetzt bei der geplanten Überraschung nicht dabei sein kann, ließ aber durchblicken, dass es ihr wichtiger ist, dass ich da bin und dass sie sich mit Mutter wieder gut versteht. Außerdem habe ich das Gefühl gehabt, dass es ihr gar nicht so unrecht war, das Haus zu hüten.«
    »Was ist denn heute los? Ignaz hat sich schon freiwillig gemeldet, um im Schloss zu bleiben, und jetzt auch noch Rosalinde? Das hat es am Heiligen Abend noch nie gegeben«, zeigte sich der Kastellan nachdenklich. Eginhard berichtete hastig weiter: »Nachdem Lodewig den Kräutersud getrunken hat, habe ich ihn mit Sarahs und Siegberts Hilfe ›reisefertig‹ gemacht … Das war es in kurzen Worten. Den Rest kannst du dir ja denken. Ich weiß über alles Bescheid und freue mich auf das, was jetzt kommen wird. Und nun, Vater, lass uns endlich gehen«, beendete Eginhard seine Erklärungen, während ihm Sarah sein Patenkind in die Arme legte. Dem sichtlich verwirrten Familienoberhaupt blieb nur noch, ungläubig, aber überglücklich den Kopf zu schütteln und sich über die feuchten Augen zu reiben.
     
    *
     
    Da die Menschen allesamt neugierig geworden waren, warteten sie im Kircheninneren immer noch geduldig auf die Rückkehr des Kastellans. Außer dem Pfarrherrn und seinem Konzelebranten, die beide am ersten Teil der Verschwörung mitgewirkt hatten, ahnte niemand etwas davon, was jetzt gleich geschehen würde.
    Als das Portal aufging und dadurch ein kalter Wind durch die Kirche zog, konzentrierten sich alle Sinnesorgane der Wartenden in diese Richtung. Da es im hinteren Teil der Kirche recht dunkel war, weil dort nur eine Kerze brannte, genau an der Stelle, an der früher eine hölzerne Figur des Heiligen Antonius gestanden hatte, konnte man nur schemenhaft eine Gruppe Menschen sehen, die langsam die Kirche betrat. Das Näherkommen der kleinen Gruppe wurde von einem unangenehmen Knarzen, das durch die Kufen von Lodewigs Schlitten auf den Solnhofener Bodenplatten verursacht wurde, begleitet. Unwillkürlich öffneten die Versammelten eine Gasse bis dorthin, wo Ulrichs Frau mit Judith und Lea stand.
    Konstanze konnte zunächst nicht genau erkennen, wer da auf sie zukam, und wusste auch noch nicht, was hinter ihr geschah. Erst als sie sich nach Judith umblickte, um sie näher an sich zu ziehen, sah sie, dass die beiden Priester am Taufbecken standen und dort mit Hilfe der beiden Messdiener und einiger auf die Schnelle rekrutierter Frauen ein Lichtermeer aus – so schien es – Tausenden von Kerzen zauberten.
    Da sie jetzt schlagartig ahnte, was kommen würde, begannen die Gedanken in ihrem

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