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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Kopf zu hämmern.
    »Mein Gott«, flüsterte sie und ballte die Hände vor dem Gesicht zu Fäusten.
    Ein Gemurmel ging durch die Kirche.
    Im nächsten Moment erkannte sie ihren Mann und Siegbert, die Lodewig hereinschoben und dadurch diesen Höllenlärm – der sich für Konstanze allerdings anhörte, als würden sämtliche Engelsharfen des Himmels erklingen – erzeugten. Dahinter kamen Sarah … und Eginhard, der stolz sein Patenkind in den Armen hielt und hereintrug.
    »Eginhard«, hallte es so laut durch die Kirche, dass alle zusammenzuckten. Konstanze konnte jetzt nichts und niemand mehr aufhalten. Intuitiv packte sie Lea am Arm und rannte der Gruppe entgegen. Einen Moment lang wusste sie nicht, wen sie zuerst an sich drücken sollte. Na, wen wohl? Eginhard! Eine fürwahr zu Tränen rührende Begrüßung folgte. Zwischenzeitlich war auch Judith bei ihnen und ging sogleich auf Eginhard zu, um ihn zu begrüßen.
    »Seid mir ebenfalls herzlich gegrüßt, Frau Bomberg.«
    »Aber nicht doch«, winkte die Jüdin ab. »Wir sind doch jetzt verschwägert. Oder weißt du das etwa noch nicht?«, lachte sie und reichte ihm die Hand. »Ich heiße Judith.«
     
    Propst Glatt ließ das überschäumende Glück noch ein Weilchen gewähren und gab dadurch auch den anderen Kirchenbesuchern Zeit, sich die Tränen abzuwischen, bevor er energisch das Wort erhob: »Tretet alle näher! Ich denke, dass diese Überraschung im Sinne unseres Herrn war und gelungen ist. Mein geistlicher Mitbruder und ich haben uns zwar der Mitorganisation in Bezug auf Lodewigs Kommen schuldig gemacht, aber nichts von der Rückkehr des verloren gewähnten Sohnes gewusst … Eginhard, herzlich willkommen in unserer Mitte!«
    Ihren Willkommensgruß formulierten die Gläubigen, indem sie leise zu klatschen begannen. Nach lautem Jubel war ihnen aber jetzt nicht. Viel lieber genossen sie den unglaublich schönen Augenblick des Seins und die Gefühle, die aufgrund der herzzerreißenden Situation aufkamen. Viele dachten in diesem Moment auch an ihre Verstorbenen. Es gab kaum noch jemanden, der nicht umarmt wurde oder dem niemand eine Hand gereicht hatte.
     
    Mit den Worten: »Als Symbol für das Leben, aber auch für die Vergänglichkeit und für die Hoffnung auf Frieden unter den Menschen und die Gemeinschaft der Völker – gleich welcher Rasse, Hautfarbe oder Religion – werden wir am heutigen Tag des Herrn, im Angesicht aller hier Versammelten, diesen Knaben nach den Gesetzen der katholischen Kirche taufen«, begann der Propst die Taufzeremonie, die er wunderschön und einfühlsam gestaltete und schlussendlich mit einem »Gesegnete Weihnacht!« beendete, als er seine Schäflein in die verschneite Nacht entließ.
     
    *
     
    Wie zuvor verabredet, trafen sich die Familie des Kastellans und die Bombergs nach der Christvesper auf dem Kirchplatz mit Hannß und Gunda Opser sowie der Familie des Weißacher Bauern, der Fabio geholfen hatte, Lodewig nach Hause zu bringen. Sie alle konnten es kaum erwarten, zum Schloss hochzugehen, um dort gemeinsam den Heiligen Abend zu verbringen. Dies taten sie aber keinesfalls ohne den ›Ehrengast‹, der es nicht so schnell aus der Kirche herausgeschafft hatte wie die anderen, weil er umlagert wurde wie ein menschgewordenes Wunder. Da es sich längst herumgesprochen hatte, was Fabio – neben seiner bewundernswerten Arbeit als Hilfstotengräber – alles geleistet hatte und dass er es gewesen war, der Lodewig das Leben gerettet hatte, musste er das für ihn ungewohnte Schulterklopfen und die unglaublichsten Lobeshymnen über sich ergehen lassen, während er sich bemühte, die Kirche zu verlassen, um endlich zu einer warmen Mahlzeit zu kommen.
    »Im Namen des Herrn! Wartet auf mich«, rief der Propst, der als Letzter die Kirche verließ und auf das bevorstehende Festmahl und den guten Bodenseewein keineswegs verzichten mochte.
     
    *
     
    Im Schloss wartete Rosalinde schon sehnsüchtig auf die anderen. Immer, wenn sie Ignaz auf die Finger klopfen musste, weil er von den köstlichen Speisen naschen wollte, bekam sie ein Küsschen. Heute war Weihnachten und alle sollten sehen, dass sie sich jetzt – nach Jahren unbekümmerter Zusammenarbeit und Rosalindes Verbannung aus dem Haus – lieben gelernt hatten. Als ihr Herr damals auf Drängen seiner Frau angeordnet hatte, ihren angestammten Arbeitsplatz im Inneren der Wohngebäude zu verlassen, um draußen mit Ignaz zusammenzuarbeiten, war sie von ihm getröstet worden. Dabei waren die

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