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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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des gräflichen Schreibens«, unterbrach der Kastellan den allgemeinen Freudentaumel, von dem sich – abgesehen der anwesenden Kinder – nur Konstanze und Judith unbeeindruckt zeigten. Allerdings musste er mit der Verlesung so lange warten, bis sich die Menschen beruhigt hatten und es wieder still geworden war. Es knisterte nur das Pergament, als der Kastellan seine sonore Stimme erhob:
    ›Groß Lukken die Pest in tem Allgäw hatt gehaven. Unnd erpresset den Stauffner die Krafft aus der Brust, weswegen hiermit kundt unnd zu wissen sey gethan, dass Wir, Hugo zue Königsegg, ehedem kaiserlicher Hofkammergerichtspräsident zue Speyer. Rath unnd Kämmerer des Erzherzogs Leopoldus von Österreich. Weyland durch Kaiser Ferdinand II. in den Reichsgrafenstand erhoben. Herr zue Rothenfels unnd Stauffen aufgrund der Pestilentzen unnd dero Toten in Unßerm geliebten Herrschaftsgebiethe wöllen frowe Stauffner schawen. Sotan Wir geruhen, die ledigen Söhne von Stauffen in Unser Immenstädter Schloss zue laden, um mit ihnen zue disputieren, allwie es weitergehen soll, um der allgemeinen Trübniß entgegentreten zue können.
    Gemeinsam mit Unßeren Immenstädter unnd Stauffner Amptsleitern werden Wir über die Noth gebührend Disput halten. Dazu werden Wir ein Festmahl geben, bei dem Narren ebenso für allerley Kurtzweyl sorgen werden, wie Musikanten, die zur Laute auffspieln. Wir werden ein Fahnlin schenken, alsdann an diesem Tag uns vereint Freundtschaft, Frohsinn unnd Ehrbarkait. Wir wünschen den Stauffnern neue Krafft unnd eine gesegnete Weihnacht.‹
     
    Nachdem Ulrich Dreyling von Wagrain den Inhalt des Papiers verlesen hatte, zupfte er mit stoischer Miene an seiner Amtskette herum, bevor er es zusammenrollte und die sichtlich irritierten, aber allesamt gerührten Kirchenbesucher bat, noch einen Moment hierzubleiben. »Obwohl ich weiß, dass ihr jetzt gerne nach Hause gehen wollt, wäre es nett, wenn ihr mir zuliebe damit noch so lange warten würdet, bis ich wieder zurück bin.«
    Dass sich der Pfarrherr und der Benediktinermönch derweil klammheimlich nach vorne zum Kirchenschiff begaben, merkte niemand, weil alle Augen den Kastellan zum Hauptportal begleiteten. Da sie ebenfalls nicht wussten, warum er dies tat, sahen ihm auch Konstanze und Judith achselzuckend nach.
    »Habt etwas Geduld«, rief er noch ins Kircheninnere zurück, bevor er im Dunkel der Nacht, die nicht nur durch die wunderbare Atmosphäre, sondern auch noch durch sanft herabrieselnde Schneeflocken geheiligt wurde, verschwand.
     
    *
     
    Draußen schien auf den ersten Blick alles so zu sein, wie vereinbart.
    »Unserer Überraschung steht also nichts im Wege«, freute sich der glückliche Großvater. Denn auf ihn warteten Siegbert und Sarah mit seinem gut eingewickelten Enkelkind.
    »Aber wo ist Rosalinde? Und wo mein Sohn?«, fragte der Kastellan unruhig, nachdem er hatte feststellen müssen, dass doch nicht alles so glattzulaufen schien, wie er es geplant hatte. »Wo ist Lodewig? … Siegbert! Wir haben doch abgemacht, dass du ihn mit Rosalindes Hilfe hierherbringen solltest, während wir noch in der Christvesper sind«, schnauzte er die Burgwache an, die er extra für dieses Unternehmen eine Stunde lang vom Dienst befreit hatte und durch Ignaz – der heute kurioserweise nicht mit in die Kirche wollte und sich freiwillig für den Dienst im Schloss, in Rosalindes Nähe, gemeldet hatte – ersetzen ließ, etwas ungehalten an.
    Siegbert gab aber keine Antwort und schaute stattdessen zu Sarah, die verschämt in sich hineinkicherte.
    »Wo ist mein Sohn? … Warum ist Lodewig nicht hier?«
    Noch bevor sich der irritierte Kastellan umblicken konnte, hörte er eine vertraute Stimme hinter sich: »Hier ist dein Sohn, Vater!«
    Blitzartig drehte sich der Kastellan zum Kirchenportal um. Dahinter hatte Siegbert den Schlitten mit Lodewig versteckt. Aber es war nicht Lodewigs Stimme, die er zu hören wähnte.
    »Eginhard? … «, der Kastellan konnte kaum glauben, dass neben Lodewig sein ältester Sohn stand.
    »Ja, Vater, ich bin es: Eginhard! Verzeih, aber diesen Spaß musste ich mir einfach gönnen«, entschuldigte sich der bisher immer noch in Bregenz geglaubte Sohn, während sich die beiden innig umarmten.
    »Was ist geschehen? Warum bist du jetzt plötzlich hier? Du wolltest schon vor ein paar Tagen kommen! Und weshalb … «, sprudelten die Fragen nur noch so aus des Vaters Mund.
    »Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen«, unterbrach ihn

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