Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
wird – hoch und heilig versprechen, gelassen zu bleiben, egal, was auch geschieht.«
    »Dies ist dir dann sicher schwergefallen, Vater«, mutmaßte Lodewig.
    Der Kastellan schnaufte tief durch, zündete seine inzwischen kalt gewordene Pfeife an und zog ein paar Mal daran, bevor er den heiß ersehnten Schluss der Geschichte einleitete: »Als wir uns dem Ende eines langen Ganges genähert haben, war mir sofort klar, was hier geschehen war. Vor einer geöffneten Tür lagen zwei Mönche mit durchgeschnittenen Kehlen in ihren Blutlachen. In dem Raum, dessen Tür weit offen stand, lagen noch drei Fratres. Zwei waren erstochen worden und dem anderen war mit einem schmiedeeisernen Kreuz der Schädel zertrümmert worden.«
    Jetzt herrschte absolute, betretene Stille im Raum. Da sich aufgrund der Spannung die ganze Zeit über niemand um das Feuer im Kachelofen gekümmert hatte, fröstelte es jetzt alle. Niemand traute sich, eine Frage zu stellen.
    Der Kastellan stand auf, um den Ofen zu füttern, ließ dies aber letztendlich mit der Begründung sein, dass es spät geworden sei und es sowieso allerhöchste Zeit wäre, den Abend zu beenden.
    »Aber nicht, ohne dass du uns vom Ausgang der Geschichte in Kenntnis setzt«, warf Lodewig hastig ein und erntete dafür allseits dankbares Kopfnicken.
    »Das Ende ist schnell erzählt«, sagte der Kastellan mit einem unergründlichen Grinsen auf den Lippen: Nachdem der Totengräber die Mönche lautlos umgebracht hat, muss er in den Stall geschlichen sein und sein Pferd geholt haben. Als er über den Klosterhof geprescht ist, hätte ihn nur noch der Bruder Pförtner aufhalten können. Dem aber ist ein Dolch in die Schulter geflogen.«
    Der Kastellan schwieg einen Augenblick lang.
    »Aber der Pförtner durfte zugesehen haben, wie der Totengräber aus dem Tor geritten ist, … weil wenigstens er überlebt hat. »
    »Wie konnte dies alles nur geschehen?«, fragte Sarah ungläubig.
    »Da das Pferd des Totengräbers – der wohl zu faul dazu war, sein Pferd selbst abzuschirren – in all der Aufregung vom dortigen Stallmeister noch nicht abgeschirrt worden war, ich meines aber gleich nach dem Eintreffen im Kloster vom schweren Sattel- und Zaumzeug befreit habe, war es mir unmöglich, sofort die Verfolgung aufzunehmen. Außerdem war – wie ich euch bereits mehrmals gesagt habe – mein Ross völlig erschöpft … und durstig. Dazu kommt noch, dass niemand gesehen hat, in welche Richtung der Mörder geflüchtet ist.«
    »Ich denke, der Pförtner hat überlebt?«, fragte der Blaufärber, der wegen des reichlich genossenen Weins nicht mehr alles mitbekam, irritiert.
    »Das stimmt. Er hat zwar überlebt, ist aber besinnungslos geworden, kurz nachdem ihn das Messer getroffen hat. Er konnte mir gerade noch ins Ohr flüstern, was ihm der Totengräber beim Vorbeipreschen zugerufen hat.«
    »Nun mach schon: Was hat er gerufen?«, wollte Lodewig aus einer inneren Vorahnung heraus wissen.
    Sein Vater überlegte lange, ob er eine Antwort auf diese Frage, die er durch eine kurze Unüberlegtheit provoziert hatte, geben soll und entschloss sich – da Lodewig sowieso keine Ruhe mehr geben würde – dazu, dies zu tun: »Ich komme wieder, um mein Werk zu vollenden!«
    Als sie dies hörten, musste nicht nur Lodewig schlucken.
    Um eine Debatte zu verhindern, fuhr der Kastellan mit seiner Erzählung fort: »Ich bin sofort über den riesigen Klosterhof zum Tor gerannt und habe versucht, Spuren zu finden, musste aber noch so lange beim röchelnden Pförtner bleiben, bis Hilfe bei ihm war. Deswegen war es mir unmöglich, den Flüchtenden wenigstens mit meinen Augen zu verfolgen. Und Hufabdrücke habe ich wegen der Beschaffenheit des Bodens um das Kloster herum auch nicht gefunden. Wahrscheinlich hat er nicht den Weg genommen, der vom Kloster zur nächsten Verbindungsstraße führt, sondern ist über Wiesen und Wälder entkommen. Also hätte es auch keinen Sinn gehabt, ihm zu einem späteren Zeitpunkt nachzujagen. In welche Richtung auch? Und dazu noch mit einem lahmen Gaul? Also bin ich – nachdem sich das Pferd erholt hatte – erst einen Tag später hängenden Kopfes nach Hause zurückgeritten. Und dabei ist mir nicht nur der Schwarze Tod auf Schritt und Tritt begegnet, sondern auch anderes Unglück, das die Menschen dahinrafft, wie die Fliegen. Also habe ich ständig an meine Söhne und an meine kranke Frau gedacht. Ich hätte verzweifeln können. Diederich war tot. Und – ich war mir sicher – auch Lodewig

Weitere Kostenlose Bücher