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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Niemals hätten sie etwas anderes vermutet, zu eindeutig erschien die Sachlage: Der Kleine hatte beim Spielen mit seinem Holzpferdchen beobachtet, wie Rosalinde durch das kleine Tor in den Wurzgarten gegangen war, um Majoran zu holen. Da sie das Gartentürchen hatte offen stehen lassen – was sie auch nicht leugnete – , musste ihr Diederich nachgegangen sein. Es hatte ihn wohl gereizt, einen kleinen Erkundungsspaziergang außerhalb des Schlosshofes zu unternehmen. Dabei war er ungesehen bis zur Südmauer in Richtung des steilen Abhanges gelaufen … und dort war der bemooste Boden ganz besonders feucht. Die eindeutigen Rutschspuren und der blutige Stein konnten den Rest der traurigen Geschichte erzählen.

Kapitel 21
     
    Nachdem die Tür zur Küche in der Schlossverwalterwohnung aufgerissen worden war und Judith Bomberg hereinstürmte, um gebrauchtes Wasser in den Ferker zu schütten und lauwarmes Frischwasser vom Herd zu holen, stolperte sie über Lea, die auf dem Fußboden selbstversonnen mit Diederichs Holzpferdchen spielte, das dessen Vater auf den Küchentisch gelegt hatte. Jakob Bomberg und Lodewig indessen kamen sich beim Auf-und-ab-Laufen in dem hierfür viel zu kleinen Raum gegenseitig ins Gehege.
    »Verdammte Sch … «, setzte der heute ungewohnt unruhige Jakob zu schreien an, nachdem er den vollen Schwall abbekommen hatte, hielt aber mit seiner Flucherei sofort inne, als er den mahnenden Blick seiner seit Diederichs Tod ebenfalls ständig angespannten Frau sah.
    Langsam zog sich das rot gefärbte Wasser durch den Raum und bildete unter dem Tisch eine große Lache.
    Nur der Kastellan schien die für Männer typische Anspannung während der Momente, in denen sie sich hilflos fühlten und überhaupt nichts tun konnten, mit stoischer Ruhe zu ertragen. Es hatte den Anschein, als wenn ihn die ganze Sache nichts anginge und er es sich gemütlich gemacht hätte. Und dass er auf der Ofenbank saß, während er scheinbar genüsslich an seiner Pfeife zog, verstärkte diesen Eindruck noch. Tief in seinem Inneren sah es aber ganz anders aus. Trotz des zu erwartenden Ereignisses dachte er momentan nur an Diederich … und an Eginhard. Obwohl es ihn schon die ganze Zeit über kränkte, würde er auf Geheiß seiner Frau baldigst nach Bregenz reiten müssen, um seinem ältesten Sohn die traurige Nachricht vom Unfalltod des jüngsten Familienmitgliedes zu übermitteln.
    Das einzig Gute daran ist, dass ich während des Rittes allein meinen trüben Gedanken nachhängen kann, suchte er der Sache etwas Positives abzugewinnen.
     
    Da sich ausgerechnet an diesem Tag, am Tag tiefster Trauer, etwas Wunderbares angekündigt hatte, wollte Ulrich Dreyling von Wagrain nicht gerade jetzt dem Schloss und Staufen den Rücken kehren. Er würde noch nicht abreisen, sondern so lange im Schloss bleiben, bis hier alles so war, wie von Gott gewollt. Und was Gott wollte, würde er – nachdem er mit Diederichs Tod bereits überdeutlich gezeigt hatte, wie er zur Familie Dreyling von Wagrain stand – allem Anschein nach in den nächsten Stunden auf eine völlig andere Art neuerlich demonstrieren.
     
    *
     
    »Was ist? Wie geht es … ?«, fragte Lodewig unruhig seine Schwiegermutter, die ihn zwar unterbrach, ihm aber, anstatt eine Antwort zu geben, auftrug, die von ihr verursachte Sauerei vom Boden zu wischen.
    »Frauensache! … Bleib gelassen, mein Sohn. Die machen das schon«, beruhigte ihn sein Vater, der das Ganze schon mehrere Male miterlebt hatte. Damit meinte er nicht das Aufwischen der von Judith angesprochenen Überschwemmung.
    Der Kastellan erinnerte sich noch gut daran, wie er von etwas ausgeschlossen worden war, das es ohne sein Zutun überhaupt nicht gegeben hätte. Nur ungern dachte er an das erste Mal, als er – genau wie Lodewig und Jakob jetzt – stundenlang hilflos, mit schwitzigen Händen, im Raum auf und ab gegangen war. Damals wäre ihm nie in den Sinn gekommen, so ruhig auf der Ofenbank zu sitzen, wie er es jetzt gerade tat. Und doch glich die heutige Szenerie der von damals: Nur die Wasserträgerin war seinerzeit nicht Judith gewesen, sondern Maria, Rosalindes Vorgängerin, die seine damaligen Fragen ebenfalls unbeantwortet gelassen hatte.
    »Ein schlechtes Zeichen«, murmelte der Kastellan, der noch wusste, was seine Frau bei der Geburt ihres Erstgeborenen hatte mitmachen müssen. Da Eginhard ein wahrhaft schwerer Brocken gewesen war und Konstanze zudem ein schmales Becken hatte, war die Geburt alles andere als

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