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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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unkompliziert verlaufen. Als sich das Köpfchen auch nach stundenlangen Presswehen immer noch nicht hatte zeigen wollen und Konstanze viel Blut verloren hatte, was zur Folge gehabt hatte, dass sie immer schwächer geworden war, hatte die damalige Wehmutter, die man nur ›Die alte Gruberin‹ genannt hatte, weil sie mit Nachnamen Gruber geheißen und wie eine alte Vettel ausgesehen hatte, obwohl sie die dreißig noch nicht überschritten gehabt hatte, rein vorsorglich nach dem Pfarrer schicken lassen. Nur mit viel Glück, der fachkundigen Arbeit der Geburtshelferin und – laut Aussage des damaligen Propstes Johann Zängelein – »mit Gottes Hilfe« war es irgendwie doch noch gelungen, das Kind auf die Welt zu holen. Auch wenn darauf Tage des Bangens und ständiger Gebete gefolgt waren, sind Mutter und Kind am Leben geblieben. Aber diese Geburt hatte Konstanze damals so geschwächt, dass sie sich nie mehr richtig davon erholt hatte und sie seither wesentlich anfälliger für Krankheiten war. Es hatte an ein Wunder gegrenzt, dass sie die Geburten ihrer nächsten beiden Söhne fast problemlos überstanden hatte.
     
    Schon vor einigen Tagen hatte sich abgezeichnet, dass Sarahs Niederkunft kurz bevorstand. Ihr Unwohlsein am Tage von Diederichs Tod war offensichtlich das erste Anzeichen hierfür gewesen. Da ihr Lodewig nicht hatte beistehen können, weil er zur gleichen Zeit kaputte Dachziegel hatte auswechseln müssen, bestand er jetzt darauf, Sarah immer in seiner Nähe zu haben. Er wollte sofort bei ihr sein können, wenn es ihr wieder schlechter gehen sollte. So hatte er – endlich mit Erlaubnis und mit Hilfe seines Vaters, aber immer noch ohne Gestattung des Grafen – für sie, Lea und das Ehepaar Bomberg notdürftig eine helle Kammer im direkt dem Vogteigebäude angebauten Nordwesttürmchen eingerichtet, in der sie sich – fernab von Pest, Schmutz und eventuellen Anfeindungen – in aller Ruhe auf die Niederkunft hatte vorbereiten können.
    Trotz der allgemein schlimmen Zeit waren es für Lodewig irgendwie die schönsten Tage seines Lebens gewesen … , bis zu Diederichs Tod. Und jetzt sollte sein Kind zur Welt kommen? Ausgerechnet jetzt? Der verwirrte junge Mann wusste nicht mehr, was er von Gott und der Welt halten sollte: Sarah war im Schloss und kurz vor der Niederkunft. Er konnte sich ständig um sie kümmern – sie war hier bei ihm. Er hätte ihr die Sterne vom Himmel geholt, wenn sie dies gewollt hätte. Die werdende Mutter aber wünschte sich nur die Nähe ihres Geliebten und eine problemlose Geburt, bei der sie ihn ebenfalls gerne bei sich haben würde, was natürlich nicht möglich war. Für Lodewig war dennoch klar, wohin seine Gedanken gehörten, zumindest im Moment. Sei mir nicht böse, Diederich, ich vergesse dich nicht und werde immer in Gedanken bei dir sein, dachte er kurz, bevor er sich gedanklich wieder Sarah zuwandte.
     
    Sie trägt ihren ausnehmend dicken Bauch nur vorne und wirkt von hinten ebenso schlank, wie Konstanze damals war, machte sich der Kastellan Sorgen, behielt seine Feststellung allerdings für sich. Dennoch war dies auch Konstanze selbst aufgefallen, die jetzt gerne am Kindsbett sein würde, um mithelfen zu können, gesundheitlich aber nicht dazu in der Lage war. Sie erinnerte sich ebenso wie ihr Mann an ihre Problemgeburt vor gut 20 Jahren, weswegen sie sich darüber ärgerte, ihre Erfahrung nur mündlich, nicht aber praktisch, mit einbringen zu können. Zur Beruhigung ihres Mannes orakelte sie einem alten Sprichwort gemäß: »Das hat nichts mit dem Gesundheitszustand einer werdenden Mutter zu tun. Wenn sich alles nach vorne ausrichtet und man ihr von hinten nichts ansieht, wird es ein Knabe. Das ist alles.«
    Der Großvater in spe lächelte und gab seiner Frau noch ein Küsschen, bevor er sich von ihrem Krankenlager entfernte, um Neuigkeiten in Bezug auf die Geburt zu erfahren. Es tat ihm gut zu wissen, dass sie jetzt wenigstens in Gedanken für einige Momente abgelenkt war und nicht ausschließlich an Diederich dachte.
    Während Judith sich liebevoll um Sarah kümmerte, stieg die Anspannung bei den in der Küche Wartenden ins Unerträgliche. Immer wieder versuchte der Kastellan, den werdenden Vater zu beruhigen, und musste sich dabei auch noch um Jakob, der sich um seine Tochter Sarah sorgte, kümmern. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt: Es war bereits kurz nach Mitternacht und das Kind war immer noch nicht da. Da war es nur gut, dass Konstanze wieder

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