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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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an Sarahs Lager und bestaunte den Neuankömmling, als ob dieser ein Weltwunder wäre.
    »Wie soll er denn genannt werden?«, fragte er, trotz seiner Trauer um Diederich, sichtlich stolz.
    So ist das Leben … und der Tod, kam ihm in den Sinn, während er sich über Sarah und das Kind beugte, um beide zu küssen. Dabei versäumte er es nicht, ihnen ein Kreuz auf die Stirn zu zeichnen. Wenn’s nicht hilft, dann schadet’s sicher auch nicht, dachte er, weil er aufgrund Diederichs Todes seine Beziehung zum Herrgott neu überdenken wollte.
    »Lodewig und ich haben beschlossen, die Namensgebung seinem Paten Eginhard zu überlassen«, holte ihn Sarah mit dünner Stimme aus seinen trüben Gedanken.
    »Pate?«
    »Ja! Selbstverständlich soll unser Sohn christlich getauft werden, Vater, und Eginhard soll sein Taufpate werden«, antwortete Lodewig entschlossen.
    »Er hat meine Nase … und meinen Mund«, bestand Jakob darauf, dass ihm sein Enkel wie aus dem Gesicht geschnitten sei, wenn er – so wie es im Moment aussah – schon nicht seine Religion annehmen durfte.
    »Ist es überhaupt ein Knabe? Er sieht so zart aus«, witzelte der Kastellan, der aufgrund des momentanen Glücks für den Bruchteil einer Sekunde nicht an Diederich und seine bevorstehende unangenehme Mission in Bregenz dachte.
    Als Judith Sarah half, das Deckchen anzuheben und den Wickel zu lösen, damit sich die Männer selbst vom Geschlecht überzeugen konnten, schoss dem Kastellan ein warmer Strahl entgegen, was in dem Moment für Erheiterung sorgte.
    »Jetzt weißt du es«, lachte Judith kurz auf, obwohl sie ahnte, dass dem gebeutelten Mann noch Schlimmes bevorstand.

Kapitel 22
     
    Da es ein besonders heißer Sommer war , konnte Diederichs Leichnam selbst im kühlsten Zimmer des Schlosses nicht allzu lange verbleiben.
    Der beste Raum zur Aufbahrung des kleinen Körpers war das Kreuztonnengewölbe im Keller des Herrschaftshauses, wo es allerdings nicht nur kalt, sondern auch recht feucht war. Dort hatte man den Buben bis über die Geburt von Sarahs und Lodewigs Kind hinweg der Kühle des Raumes nur überlassen können, weil Konstanze die Kraft gefehlt hatte, sich dagegen zu wehren. Diederichs Aufbahrungsort hätte man auf Ulrichs Wunsch hin auch noch so lange dort nutzen können, ohne dass die Verwesung allzu rasch fortgeschritten wäre, bis er von Bregenz zurück sein würde. Aber dies hatte Konstanze nicht zugelassen. Da hatte es auch nichts genützt, dass Ignaz den Gewölbekeller ausgekehrt hatte, Diederich auf weißes Leinen gebettet und der düstere Raum durch eine Vielzahl von Kerzen erleuchtet worden war. Zudem hatte der jeweils wachfrei Habende in seiner Freizeit die Totenwache gehalten.
    Die trauernde Mutter hatte getobt und wie wild um sich geschlagen, als ihr Mann diesen Gedanken hatte laut werden lassen.
    »Vielleicht möchte Eginhard mit mir zurückkommen, um bei der Beerdigung dabei zu sein?«, hatte er vergeblich argumentiert.
    »Mein Sohn wird nicht in einem feuchten Keller von Ratten angenagt«, hatte sie ihren Mann angeschrien und dabei mit den Fäusten auf seine Brust getrommelt, bevor sie schluchzend in seine kräftigen Arme gesunken war.
     
    Der Kastellan hatte auch später große Mühe, seiner Frau zu erklären, dass er diesen Vorschlag doch nur gemacht habe, um Zeit zu gewinnen, damit vielleicht sogar Eginhard die Möglichkeit hätte, bei der Beerdigung dabei zu sein. Erst nachdem Sarah ihrer weinenden Schwiegermutter nach einem Schwächeanfall den neuen Erdenbürger in die elterliche Schlafkammer gebracht und ihr in die Arme gelegt hatte, beruhigte sich Konstanze etwas. »Nun bist du mein Kleiner«, murmelte sie, während sie ihren Enkel zart an sich drückte, ihm ein Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnete und – als wenn sie es versiegeln mochte – sanft einen Kuss darüber legte. Allein die Existenz des Kindes gab ihr jetzt die Kraft, gemeinsam mit ihrem Mann zu überlegen, was wohl das Beste wäre. Da ungeachtet des normalen Zerfalls und dessen geruchlichen und optischen Auswirkungen, Tote immer die Gefahr des ›Leichengiftes‹ mit irgendwelchen Infektionen in sich bargen und zudem das allgemeine Seuchenproblem omnipräsent war, kamen sie, ohne dass dies direkt angesprochen worden war, zu dem Ergebnis, mit der Beerdigung nicht so lange zu warten, bis Eginhard informiert sei und deswegen womöglich sogar nach Hause kommen würde. Auch wenn der Ritt von Staufen nach Bregenz und zurück reibungslos verliefe, würde es

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