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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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eingeschlafen war und sich nicht ständig nach dem Stand der Dinge erkundigte, weil sie meinte, gute Ratschläge geben zu müssen. Lea lag längst auf ihrem Lager und schlief ebenfalls, Diederichs Pferdchen fest umklammert. Es war ruhig geworden. Nur Judith kam zwischendurch in die Küche, um schales, rötliches, gegen frisches, lauwarmes, Wasser auszutauschen, Lappen auszuwringen oder mit irgendetwas herumzuklappern, bevor sie wortlos wieder im Türmchen verschwand. Ansonsten sahen und hörten die drei Männer nicht mehr viel. Sie waren innerlich zwar aufgewühlt, erweckten äußerlich aber einen etwas ruhigeren Eindruck. Und damit dies so blieb, hatte Judith sie damit beauftragt, auf Anweisungen hin verschiedene Kräutersude anzusetzen und einen speziellen Sud aus der Baldrianwurzel und den Blättern der Zitronenmelisse selbst zu trinken. Dass Judith diesen beruhigend wirkenden Trank speziell für die Männer vorbereitet hatte, merkten diese nicht. Rotwein hätte vermutlich eine bessere Wirkung gezeigt. Allerdings war dies nicht der Tag, um Wein zu genießen.
    Sogar Ignaz oder eine der Burgwachen waren jetzt nicht mehr mit ihren freundlich gemeinten Nachfragen lästig. Und Propst Glatt hatten sie noch nicht informiert. »Der säuft uns eh nur den letzten Tropfen Wein weg, während wir dieses Gesöff trinken müssen«, hatte der Kastellan die Entscheidung, den Seelsorger erst wieder zu benachrichtigen, wenn er dringend gebraucht wurde, begründet. Unabhängig davon stand den Frauen dadurch ein Mann weniger im Weg. Ulrich hatte sich – nachdem er seinen priesterlichen Freund direkt nach Diederichs Salbung weggeschickt hatte, um mit den Seinen allein zu sein – überlegt, ob dies richtig gewesen war. Während er seinen Gedanken nachhing, die zwischen tiefer Trauer und leiser Hoffnung schwankten, konnte man nur noch das Knistern im Kamin hören.
    Diese Ruhe hatte auch die angespanntesten Gemüter schläfrig werden lassen. Lodewig war, mit dem Kopf auf dem Tisch, eingenickt. Jakob döste ebenfalls vor sich hin, als plötzlich ein lautes, aber undefinierbares Schreien die Stille unterbrach.
    Der Hausherr schreckte als Erster hoch und tippte seinen Sohn an. »Lodewig, wach auf! … Ich glaube, es ist so weit.«
    Angestrengt lauschten sie in die Stille des Raumes, um das zweifellos aus dem Türmchen kommende Schreien identifizieren zu können.
    »Ist das Sarah?«, fragte Lodewig ängstlich, als auch schon Judith in die Küche gestürmt kam und laut verkündete, dass es ein Knabe sei. Lodewig realisierte nicht gleich, was er soeben gehört hatte, und blickte alle der Reihe nach fragend an.
    »Wie geht es den beiden?«, fragte der Kastellan ruhig.
    »Sarah ist zwar geschwächt, aber ebenso wohlauf wie der Kleine. Du solltest dich jetzt um Konstanze kümmern … , sie braucht dich. Ohne sie hätte die Sache wohl nicht so gut geendet. Geh zu ihr. Sie ist total geschafft. Sie weint jetzt nur noch. Wahrscheinlich überlagern die Tränen der Trauer die des Glücks«, bekam er zur Antwort, während sie ihm Mut machend über das Gesicht streichelte, bevor sie ihn, Lodewig und ihren Mann umarmte.
    In diesem Moment des Glücks dankten wohl alle ihrem Gott, obwohl sie wegen Diederichs Tod eigentlich großen Zorn auf ihn hatten. Der frischgebackene Vater konnte es kaum erwarten, seinen Stammhalter und Sarah ans Herz drücken zu können, wollte sich aber erst die Tränen aus den Augen wischen. Abgesehen davon musste er sich sowieso noch so lange gedulden, bis Judith seinen Sohn gewaschen und gewickelt hatte. Erst als sie auch noch Sarahs Gesicht vom Schweiß gereinigt, deren Haare gebürstet und ihr den Kleinen in den Arm gelegt hatte, durfte Lodewig zu ihnen.
    Währenddessen eilte der Kastellan zu seiner durch den Schrei aufgewachten Frau, deren Gefühle jetzt verrückt spielten, was sich in einer glücklich aussehenden Mimik, aber auch in haltlosen Weinkrämpfen ausdrückte, um ihr die frohe Botschaft zu überbringen. Konstanzes Gefühle spielten jetzt – nachdem sie aus kurzem Schlaf wieder aufgewacht war – total verrückt, was sich in einem zittrigen Krampfanfall äußerte. Nachdem Ulrich ihr alle Details der Geburt erzählt hatte, war er noch ein Weilchen neben ihr gesessen. Es hatte lange gedauert, bis Konstanze, total entkräftet, wieder eingeschlafen war. Wäre sie nicht so erschöpft gewesen, hätte sie dies wohl kaum noch einmal zugelassen und wieder nach Diederich gerufen.
     
    Jetzt stand der Großvater mit den anderen

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