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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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grauen Gesteins, die bis auf einige wenige verdorrte Büsche kahl waren. Der Abgrund erschien nicht wirklich bedrohlich, aber es war doch etwas anderes, als von einem Baumwipfel zu Boden zu blicken. Seltsamerweise fühlte Elayne sich ein wenig benommen, als sie hinabblickte. Aviendha schien nicht zu bemerken, daß sich der Rand der Felswand direkt unter ihren Zehen befand.
    »Beunruhigt dich etwas?« fragte Elayne leise.
    Aviendha blickte weiterhin in die Ferne. »Ich habe dich enttäuscht«, sagte sie schließlich. Ihre Stimme klang tonlos und leer. »Ich konnte das Wegetor nicht angemessen gestalten, und alle haben gesehen, wie ich dich beschämt habe. Ich habe einen Diener für ein Schattenwesen gehalten und mich daraufhin töricht verhalten. Die Atha'an Miere verachten mich und betrachten die Aes Sedai, als wäre ich deren Hund, der auf ihren Befehl bellt. Ich habe behauptet, ich könnte die Schattenläuferin zum Reden bringen, aber keine Far Dareis Mai darf Gefangene befragen, ehe sie zwanzig Jahre mit dem Speer verheiratet ist; sie darf nur dabei zusehen, ehe sie zehn Jahre mit dem Speer verheiratet ist. Ich bin schwach und verweichlicht, Elayne. Ich kann es nicht ertragen, dich weiterhin zu beschämen. Wenn ich dich erneut enttäusche, werde ich sterben.«
    Elaynes Mund wurde trocken. Das klang zu sehr nach einem Versprechen. Sie ergriff fest Aviendhas Arm und zog sie vom Rand des Abgrunds zurück. Aiel konnten fast so seltsam sein, wie sie vom Meervolk beurteilt wurden. Sie glaubte nicht, daß Aviendha springen würde - nicht wirklich -, aber sie würde kein Risiko eingehen. Zumindest versuchte Aviendha sich ihr nicht zu widersetzen.
    Alle übrigen schienen mit sich selbst oder miteinander beschäftigt zu sein. Nynaeve hatte begonnen, zu den Atha'an Miere zu sprechen, beide Hände fest um ihren Zopf geschlossen und das Gesicht von der Anstrengung, nicht zu schreien, beinahe so dunkel wie deren Gesichter, während sie ihr mit geringschätziger Anmaßung zuhörten. Merilille und Sareitha bewachten noch immer die Schale, und Careane versuchte recht erfolglos, mit den Frauen der Schwesternschaft ins Gespräch zu kommen. Reanne antwortete ihr, wenn sie auch unbehaglich blinzelte und ihre Lippen benetzte, aber Kirstian stand zitternd und schweigend da, während Garenia die Augen fest zupreßte. Elayne sprach dennoch leise. Dies ging niemanden sonst etwas an.
    »Du hast niemanden enttäuscht, mich am allerwenigsten, Aviendha. Nichts, was du jemals getan hast, hat mich beschämt, und nichts, was du tun wirst, könnte mich jemals beschämen.« Aviendha sah sie zweifelnd an. »Und du bist ungefähr so schwach und verweichlicht wie ein Fels.« Das mußte das seltsamste Kompliment sein, das sie jemals jemandem gemacht hatte, und doch wirkte Aviendha aufrichtig erfreut. »Ich wette, daß sich selbst das Meervolk vor dir zu Tode ängstigt.« Noch ein seltsames Kompliment, aber es ließ Aviendha lächeln, wenn auch nur schwach. Elayne atmete tief durch. »Was Ispan betrifft...« Es gefiel ihr nicht, hierüber auch nur nachzudenken. »Ich dachte ebenfalls, ich könnte tun, was nötig ist, aber nur daran zu denken läßt meine Hände schwitzen und meinen Magen rumoren. Ich würde es verderben, selbst wenn ich es versuchte. Das haben wir also gemeinsam.«
    Aviendha vollführte die Geste in der Zeichensprache der Töchter des Speers, die ›du erstaunst mich‹ bedeutete. Sie hatte begonnen, Elayne einige Gesten der Zeichensprache beizubringen, obwohl sie sagte, es sei verboten. Anscheinend änderte sich das bei Nächstschwestern, die noch mehr werden wollten. Aber nicht wirklich. Aviendha dachte anscheinend, ihre Erklärung sei vollkommen eindeutig gewesen. »Ich meinte nicht, daß ich es nicht kann«, sagte sie laut, »nur daß ich nicht weiß, wie ich es anstellen soll. Wahrscheinlich hätte ich sie getötet, wenn ich es versucht hätte.« Plötzlich lächelte sie stärker und herzlicher als zuvor und berührte leicht Elaynes Wange. »Wir haben beide unsere Schwächen«, flüsterte sie, »aber das ist keine Schande, solange nur wir beide davon wissen.«
    »Nein«, sagte Elayne kraftlos. Sie wußte einfach nicht wie »Natürlich nicht.« Diese Frau barg mehr Überraschungen als jeder fahrende Sänger. »Hier«, sagte sie und drückte Aviendha die von ihrem Haar umhüllte Frauenfigur in die Hand. »Benutze sie im Kreis.« Es war nicht leicht, das Angreal aus der Hand zu geben. Sie hatte es selbst benutzen wollen, aber

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