Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
du bestimmt eine besonders gnädige Aufnahme finden.«
Adolin zögerte. Vermutlich wollte ihn Navani nur von den Sorgen ablenken, die er sich wegen Dalinar machte. Doch schließlich entspannte er sich und lächelte. »Das wäre einmal eine angenehme Abwechslung von den jüngsten Ereignissen.«
»Das hatte ich mir gedacht«, sagte Navani. »Ich schlage vor, dass du bald zu ihr gehst; die Melonen sind schon sehr reif. Außerdem würde ich gern ein paar Worte mit deinem Vater reden.«
Adolin küsste Navani auf die Wange. »Danke, Maschala.« Ihr ließ er viel mehr durchgehen als den meisten anderen. In der Gegenwart seiner Lieblingstante war er fast wieder zu einem Kind geworden. Adolins Grinsen wurde noch breiter, während er durch die Tür ging.
Auch Dalinar lächelte. Navani kannte seinen Sohn so gut. Doch als er erkannte, dass er nun mit Navani allein war, hielt sein Lächeln nicht lange an. Er stand auf. »Was möchtest du von mir?«, fragte er.
»Ich möchte gar nichts von dir, Dalinar«, erwiderte sie. »Ich will nur reden. Schließlich sind wir doch eine Familie. Wir verbringen einfach nicht genügend Zeit miteinander. «
»Wenn du reden willst, dann werde ich einige Soldaten zu unserer Gesellschaft rufen.« Er warf einen Blick in das Vorzimmer. Adolin hatte die zweite Tür hinter sich geschlossen, sodass Dalinar seine Wachen nicht mehr sehen konnte – und sie ihn ebenfalls nicht.
»Dalinar«, sagte sie und trat auf ihn zu. »Dann wäre es ja sinnlos gewesen, dass ich Adolin weggeschickt habe. Ich wollte unter vier Augen mit dir sprechen.«
Er spürte, wie er sich versteifte. »Du solltest jetzt gehen.«
»Wirklich?«
»Ja. Die Leute werden das hier für unschicklich halten. Sie werden reden.«
»Möchtest du damit andeuten, dass etwas Unschickliches geschehen könnte?«, fragte Navani mit beinahe mädchenhafter Aufregung.
»Navani, du bist meine Schwester .«
»Wir sind nicht blutsverwandt«, erwiderte sie. »In einigen Königreichen wäre eine Verbindung zwischen uns sogar erforderlich geworden, sobald dein Bruder gestorben war.«
»Wir befinden uns aber nicht in diesen Reichen. Das hier ist Alethkar. Und hier gibt es gewisse Regeln.«
»Ich verstehe«, sagte sie und kam ihm noch näher. »Und was wirst du tun, wenn ich nicht gehe? Rufst du um Hilfe? Wirst du mich abführen lassen?«
»Navani«, sagte er leiderfüllt, »bitte erspar mir das. Ich bin müde.«
»Ausgezeichnet. Das macht es mir leichter, das zu bekommen, was ich haben will.«
Er schloss die Augen. Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Die Vision, der Streit mit Adolin, seine eigenen ungewissen
Gefühle … Er wusste nicht mehr, was er von alldem halten sollte.
Die Visionen zu überprüfen war eine gute Entscheidung, aber es gelang ihm einfach nicht, die Verwirrtheit abzuschütteln, die sich daraus ergab, dass er nicht wusste, was er als Nächstes tun sollte. Er liebte es, Entscheidungen zu fällen und sich dann auch daran zu halten. Aber das war ihm jetzt nicht möglich.
Es zerrte an seinen Nerven.
»Ich danke dir für dein Schreiben und deine Bereitschaft, Stillschweigen darüber zu bewahren«, sagte er und öffnete wieder die Augen. »Aber ich muss dich wirklich bitten, jetzt zu gehen, Navani.«
»O Dalinar«, sagte sie sanft. Sie war so nahe, dass er ihr Parfüm roch. Sturmvater, sie war so schön. Wenn er sie sah, erinnerte er sich an die lange vergangene Zeit, wo er sie so sehr begehrt hatte, dass er Gavilar beinahe gehasst hatte, weil er ihre Zuneigung gewonnen hatte.
»Kannst du dich nicht wenigstens einmal für kurze Zeit entspannen? «, bat sie ihn.
»Die Regeln …«
»Jeder andere …«
»Ich bin nicht jeder andere !«, sagte Dalinar schärfer, als es seine Absicht gewesen war. »Wenn ich unseren Kodex und unsere ethischen Grundsätze nicht mehr beachte, was bin ich dann noch, Navani? Die anderen Großprinzen und Hellaugen verdienen für das, was sie tun, Tadel. Und das habe ich ihnen auch deutlich gesagt. Wenn ich jetzt meine eigenen Prinzipien verrate, bin ich noch viel schlimmer als sie. Dann bin ich ein Heuchler!«
Sie erstarrte.
»Bitte«, sagte er angespannt. »Geh jetzt. Verhöhne mich heute nicht.«
Zunächst zögerte sie, doch dann verließ sie ihn ohne ein weiteres Wort.
Sie würde nie erfahren, wie sehr er sich gewünscht hatte, sie wäre hartnäckiger gewesen. In seinem gegenwärtigen Zustand hätte er sich dann nicht mehr gegen sie wehren können. Sobald die Tür hinter ihr geschlossen
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