Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
nach seinen ersten Brückenläufen ebenso dagelegen hatte. Und jetzt fühlte er sich kaum außer Atem.
Wie üblich hatten die anderen Brückenmannschaften ihre Verwundeten beim Rückzug nicht mitgenommen. Ein armer Mann von Brücke Acht kroch auf die anderen zu; in seinem Oberschenkel steckte ein Pfeil. Kaladin trat zu ihm. Der Mann hatte eine dunkelbraune Haut und braune Augen, das dichte schwarze Haar hatte er zu einem langen Pferdeschwanz geflochten. Schmerzsprengsel umschwirrten ihn. Er schaute auf, als Kaladin und die Mitglieder von Brücke Vier über ihm standen.
»Halt still«, sagte Kaladin sanft, kniete sich nieder und drehte den Mann vorsichtig um, damit er sich den verwundeten Oberschenkel besser ansehen konnte. Bedächtig tastete Kaladin ihn ab. »Teft, wir brauchen ein Feuer. Hol deinen Zunder heraus. Fels, hast du noch meine Nadel und den Faden? Ich benötige beides. Wo ist Lopen mit dem Wasser?«
Die Mitglieder von Brücke Vier schwiegen. Kaladin nahm den Blick von dem verwirrten Verletzten und sah auf.
»Kaladin«, sagte Fels, »du weißt, wie die anderen Brückenmannschaften uns behandelt haben.«
»Das ist mir egal«, erwiderte Kaladin.
»Wir haben nicht mehr genug Geld«, sagte Drehy. »Selbst wenn wir unsere Einkünfte zusammenwerfen, reicht es kaum für die Bandagen, die unsere eigenen Männer brauchen.«
»Das ist mir egal.«
»Wenn wir uns auch noch um die Verwundeten der anderen Brückenmannschaften kümmern«, sagte Drehy und schüttelte
seinen Blondschopf, »dann müssen wir sie genauso ernähren wie unsere eigenen Männer und …«
»Ich werde einen Weg finden«, sagte Kaladin.
»Ich …«, begann Fels.
»Sturmverdammt!«, schrie Kaladin ihn an und deutete mit der Hand über das Plateau. Überall lagen die Leichen der Brückenmänner verstreut; niemand beachtete sie. »Sieh dir das an! Wer kümmert sich um sie? Sadeas nicht. Und ihre Brückengefährten auch nicht. Ich glaube, dass sogar die Herolde keinen Gedanken an sie verschwenden. Ich will doch nicht hier stehen und zusehen, wie diese Männer sterben. Wir müssen bessere Menschen sein! Wir können nicht einfach wegsehen wie die Hellaugen und so tun, als wäre nichts geschehen. Dieser Mann ist einer von uns. So wie Dunni auch einer von uns war. Die Hellaugen sprechen andauernd von Ehre. Andauernd tönen sie, wie edel sie seien. Ich habe in meinem Leben bisher nur einen einzigen Mann gekannt, der tatsächlich ein Ehrenmann war. Er war ein Arzt, der jedem geholfen hat, auch denjenigen, die ihn gehasst haben. Wir werden Gaz, Sadeas, Haschal und allen anderen verdammten Narren, die es wissen wollen, zeigen, was er mir beigebracht hat. Und jetzt geht an die Arbeit und beklagt euch nicht mehr!«
Brücke Vier starrte ihn mit großen Augen an, in denen tiefe Scham lag, und brach plötzlich in Tätigkeit aus. Teft organisierte ein Kommando, das nach weiteren verwundeten Brückenmännern Ausschau halten sollte, und andere schickte er auf die Suche nach Steinknospenborke, damit sie ein Feuer machen konnten. Lopen und Dabbid eilten los und holten ihre Trage.
Kaladin kniete sich wieder hin und betastete das Bein des Verwundeten. Er beobachtete den Blutfluss und kam zu dem Ergebnis, dass er die Wunde nicht ausbrennen musste. Er brach den Pfeilschaft ab und betupfte die Wunde mit Kegelschalenschleim, der eine betäubende Wirkung hatte. Dann zog er das
restliche Holzstück heraus, was dem Mann ein Grunzen entlockte, und umwickelte das Bein mit seinem eigenen Verbandsvorrat.
»Halt das mit den Händen fest«, befahl ihm Kaladin. »Und belaste das Bein nicht. Ich werde noch einmal nach dir sehen, bevor wir ins Lager zurückmarschieren.«
»Wie …«, sagte der Mann. Er ließ nicht einmal die Spur eines Akzents hören. Kaladin hatte wegen seiner dunklen Hautfarbe erwartet, dass er ein Azisch war. »Wie soll ich zurückkommen, wenn ich auf dem Bein nicht laufen kann?«
»Wir werden dich tragen«, sagte Kaladin.
Der Mann hob den Blick und war offenbar schockiert. »Ich …« Tränen bildeten sich in seinen Augen. »Danke.«
Kaladin nickte knapp und drehte sich um, als Fels und Moasch einen weiteren Verwundeten herbeibrachten. Inzwischen hatte Teft ein Feuer entfacht; es roch durchdringend nach nassen Steinknospen. Der neue Mann hatte sich den Kopf aufgeschlagen und eine lange Fleischwunde am Arm. Kaladin streckte die Hand nach dem Faden aus.
»Kaladin, Junge«, sagte Teft mit leiser Stimme, als er niederkniete und ihm den Faden reichte.
Weitere Kostenlose Bücher