Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
umgehen«, sagte Adolin. »Vielleicht sollten wir erst einmal einfach die Augen verschließen …«
Ruckartig hob Dalinar die Hand. »Die Augen verschließen? Vor so etwas kann ich nicht die Augen verschließen. Die Visionen, das Buch, meine Gefühle – das alles verändert mich durch und durch. Wie kann ich denn herrschen, wenn ich nicht meinem Bewusstsein folge? Wenn ich Großprinz bleibe, werde ich alle meine Entscheidungen hinterfragen. Entweder vertraue ich mir selbst oder ich danke ab. Irgendetwas dazwischen gibt es für mich nicht.«
Dann wurde es still im Zimmer.
»Was sollen wir also tun?«, fragte Adolin schließlich.
»Wir treffen eine Entscheidung«, sagte Dalinar. » Ich treffe eine Entscheidung.«
»Dann tritt entweder zurück, oder lass dich von deinen Trugbildern leiten«, erklärte Adolin abschätzig. »In beiden Fällen lassen wir zu, dass sie uns beherrschen.«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«, wollte Dalinar wissen. »Du beschwerst dich immer so schnell, Adolin; das scheint bei dir zur Gewohnheit zu werden. Aber du bietest keine vernünftige Alternative.«
»Ich habe dir doch eine aufgezeigt«, sagte Adolin. »Vergiss deine Visionen und mach so weiter wie bisher!«
»Ich habe von einer vernünftigen Alternative gesprochen!«
Die beiden starrten einander an. Dalinar bemühte sich, seinen Zorn zu beherrschen. In vieler Hinsicht waren er und Adolin sich zu ähnlich. Sie verstanden einander, und das ermöglichte es ihnen, den anderen dort zu treffen, wo es wehtat.
»Und was wäre, wenn wir beweisen könnten, ob die Visionen wahr sind oder nicht?«, fragte Renarin.
Dalinar sah ihn an. »Wie bitte?«
»Du hast gesagt, dass diese Träume sehr detailliert sind«, sagte Renarin, während er sich vorbeugte und die Hände faltete. »Was genau siehst du?«
Dalinar zögerte und trank schließlich erst einmal den Rest seines Weines. Er wünschte sich, es wäre ein berauschender, violetter Wein statt des Orangenweins. »In den Visionen kommen oftmals die Strahlenden Ritter vor. Am Ende einer jeden Schau nähert sich mir jemand – ich vermute, es ist einer der Herolde – und befiehlt mir, die Großprinzen von Alethkar zu vereinen.«
Schweigen breitete sich im Zimmer aus. Adolin wirkte verwirrt, und Renarin saß einfach nur still da.
»Heute habe ich den Tag der Wiedererschaffung gesehen«, fuhr Dalinar fort. »Die Strahlenden haben ihre Splitter aufgegeben und sind davongegangen. Die Panzer und Schwerter … sie sind irgendwie verblasst, als die Strahlenden sie zurückgelassen haben. Das schien mir eine sehr merkwürdige Einzelheit zu sein.« Er sah Adolin an. »Wenn diese Visionen schiere Fantasie sind, dann bin ich wesentlich beachtlicher, als ich gewusst habe.«
»Erinnerst du dich an Einzelheiten, die wir überprüfen können? «, fragte Renarin. »An Namen, Orte oder Ereignisse, die in der Geschichte nachweisbar sind?«
»In der letzten Vision kam eine Fiebersteinfestung vor«, sagte Dalinar.
»Davon habe ich noch nie gehört«, sagte Adolin.
»Sie hieß die Fiebersteinfestung«, wiederholte Dalinar. »In meiner Vision gab es in ihrer Nähe einen Krieg. Die Strahlenden hatten an vorderster Front gekämpft. Dann haben sie sich zu dieser Festung zurückgezogen und dort ihre Splitterpanzer sowie ihre Klingen von sich geworfen.«
»Vielleicht finden wir ja in den Geschichtsbüchern etwas darüber«, sagte Renarin, »einen Beweis dafür, dass diese Festung
wirklich existiert hat, oder auch dafür, dass die Strahlenden dort nicht das getan haben, was du gesehen hast. Dann wüssten wir, ob die Träume Wahrheit oder Täuschung sind, nicht wahr?«
Dalinar nickte. Es war ihm bisher nie in den Sinn gekommen, die Richtigkeit der Ereignisse beweisen zu wollen, denn er war von Anfang an der festen Überzeugung gewesen, dass sie real waren. Wenn er versucht hätte, Nachforschungen anzustellen, hätte er sich bemühen müssen, die Natur seiner Visionen zu verbergen. Wenn er aber wüsste, dass er Ereignisse sah, die wirklich stattgefunden hatten … nun, dann könnte er wenigstens ausschließen, dass er wahnsinnig wurde. Es würde zwar nicht alle Fragen beantworten, aber es wäre doch eine große Hilfe.
»Ich weiß nicht«, meinte Adolin zweifelnd. »Vater, du redest über die Zeit vor der Hierokratie. Können wir darüber etwas in den Geschichtsbüchern finden?«
»Es gibt Berichte aus der Zeit, in der die Strahlenden gelebt haben«, sagte Renarin. »Das ist nicht so lange her wie die
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