Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
abgebrochenes Stück Schieferborke vom unteren Teil einer Pflanze. Sie hielt es in ihrer Freihand und schloss die Augen.
Werde zu Rauch!, befahl sie.
Nichts geschah.
Werde zu Kristall!, befahl sie stattdessen.
Sie öffnete die Augen einen Spaltweit. Es zeigte sich aber keine Veränderung.
Feuer. Brenne! Du bist Feuer. Du …
Sie erstarrte und erkannte die Dummheit ihrer Handlungen. Eine auf rätselhafte Weise verbrannte Hand? Nein, das wäre zu verdächtig. Sie konzentrierte sich lieber auf Kristall.
Abermals schloss sie die Augen und erschuf das Bild eines Quarzes vor ihrem inneren Auge. Sie versuchte, die Schieferborke durch ihren Willen zu verwandeln.
Doch nichts geschah. Sie konzentrierte sich stärker und stellte sich vor, wie sich die Schieferborke umgestaltete. Nach einigen erfolglosen Versuchen versuchte sie es mit der Tasche, mit der Bank und sogar mit einem ihrer Haare. Nichts veränderte sich.
Schallan vergewisserte sich, dass sie noch allein war, dann setzte sie sich enttäuscht hin. Nan Balat hatte Luesch gefragt, wie das Gerät funktioniere, und hatte die Antwort erhalten, es sei einfacher vorzuführen als zu erklären. Er hatte versprochen, es ihnen zu zeigen, sobald Schallan den Seelengießer gestohlen hatte.
Doch nun war er tot. War sie dazu verdammt, dieses Ding zu ihrer Familie zu bringen, nur um es gleich darauf jenen gefährlichen Männern übergeben zu müssen und niemals den Reichtum damit zu schaffen, der ihre Familie schützen würde? Und das alles nur, weil sie nicht wusste, wie sie das Fabrial richtig einzusetzen hatte?
Die anderen Fabriale, die sie bisher benutzt hatte, waren recht einfach in der Anwendung gewesen, aber sie waren auch von modernen Fabrialkünstlerinnen geschaffen worden. Seelengießer hingegen waren Überbleibsel einer untergegangenen Welt. Neuzeitliche Methoden der Inbetriebnahme hatten bei ihnen keinen Sinn. Schallan sah die glimmernden Edelsteine an, die auf ihrem Handrücken lagen. Wie sollte sie herausfinden, wie ein jahrtausendealtes Werkzeug zu benutzen war, das nur den Feuerern vorbehalten schien?
Sie steckte den Seelengießer in ihre Schutztasche zurück. Es sah wohl danach aus, dass sie sich doch wieder im Palanaeum umschauen musste. Oder sie fragte Kabsal. Aber würde ihr das gelingen, ohne sein Misstrauen zu erregen? Sie holte sein Brot und seine Marmelade hervor und aß, während sie
nachdachte. Gab es noch andere Möglichkeiten, falls Kabsal es nicht wusste und sie die Antwort nicht vor ihrer Abreise von Kharbranth herausfand? Würden die Feuerer oder der Veden-König ihrer Familie vielleicht Schutz gewähren, wenn sie den einen oder dem anderen den Seelengießer als Geschenk überließ? Schließlich konnte sie nicht dafür belangt werden, eine Häretikerin bestohlen zu haben, und solange Jasnah nicht wusste, wer den Seelengießer besaß, war ihre Familie in Sicherheit.
Doch aus irgendeinem Grund war ihr dieser Gedanke noch unangenehmer. Es war schon schlimm genug, dass sie Jasnah hintergangen hatte, aber was geschah, wenn sie das Gerät den Feuerern übergab, von denen Jasnah so wenig hielt? Wäre das nicht ein noch größerer Verrat?
Das war also eine weitere schwierige Frage. Es ist gut, dass Jasnah so fest entschlossen ist, mir diese Dinge beizubringen, dachte sie. Wenn all dies hier vorbei ist, werde ich eine Expertin darin sein …
4
AUGEN AUS ROT UND BLAU
»Tod auf den Lippen. Klänge in der Luft. Kohle auf der Haut.«
Aus »Die letzte Wüstwerdung« von Ambrian, Zeile 335.
K aladin taumelte ins Licht und schirmte die Augen vor der brennenden Sonne ab. Seine nackten Füße spürten den Übergang vom kalten Stein des Innenraums zum sonnengewärmten Stein draußen. Die Luft war ein wenig feucht, aber nicht mehr so schwül wie in den vergangenen Wochen.
Er stützte sich mit der Hand am hölzernen Türrahmen ab. Seine Beine zitterten ungebärdig, und die Arme fühlten sich an, als hätte er drei Tage ununterbrochen die Brücke getragen. Er atmete tief ein. Seine Seite hätte eigentlich vor Schmerzen explodieren sollen, aber er spürte nur einige seiner Wunden. Die tieferen waren noch verschorft, aber die kleineren waren bereits vollständig verschwunden. Sein Kopf machte einen überraschend klaren Eindruck. Er hatte nicht einmal Kopfschmerzen.
Er ging an der Seite der Baracke entlang und fühlte sich mit jedem Schritt stärker, doch er hielt sich weiterhin mit der Hand an der Mauer fest. Lopen folgte ihm; der Herdazianer hatte Kaladin
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