Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Gruppen stimmten darin überein, dass die Bringer der Leere nicht mehr da waren. Da war es gleichgültig, ob sie Erfindungen oder längst besiegte Feinde waren. Schallan konnte sich vorstellen, dass einige Menschen – vielleicht sogar einige Gelehrte – glaubten, dass es die Bringer der Leere noch immer gab und sie die Menschheit weiterhin heimsuchten. Aber die skeptische Jasnah? Jasnah, die die Existenz des Allmächtigen leugnete? Konnte diese Frau wirklich so verschroben sein, dass sie einerseits die Existenz Gottes leugnete, andererseits aber diejenige dieser mythologischen Feinde annahm?
Ein Klopfen ertönte an der äußeren Tür. Schallan fuhr zusammen und hob die Hand an die Brust. Sofort legte sie die Notizbücher auf den Schreibtisch zurück, und zwar genau dorthin, wo sie zuvor schon gelegen hatten. Dann eilte sie verschämt zur Tür. Jasnah würde doch nicht anklopfen, du Dummkopf, schalt sie sich, sperrte die äußere Tür auf und öffnete sie einen Spaltbreit.
Draußen stand Kabsal. Der schöne helläugige Feuerer hielt einen Korb hoch. »Ich habe gehört, dass Ihr einen freien Tag habt.« Verführerisch schüttelte er den Korb. »Möchtet Ihr vielleicht etwas Marmelade essen?«
Schallan beruhigte sich und warf einen Blick zurück auf Jasnahs offen stehendes Zimmer. Sie sollte wirklich noch einmal weitere Nachforschungen anstellen. Dann wandte sie sich wieder Kabsal zu und wollte ihn schon wegschicken – aber sein Blick war so einladend. Auf seinem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns, und seine Haltung zeugte von Entspannung und Gutmütigkeit.
Wenn Schallan einige Zeit mit Kabsal verbrachte, konnte sie ihn vielleicht auch fragen, was er über die Seelengießer wusste. Aber das war nicht der entscheidende Grund dafür, sein Angebot anzunehmen. Sie musste sich unbedingt entspannen. In letzter Zeit war sie so aufgeregt gewesen, hatte sich das Hirn mit Philosophie vollgestopft und jeden freien Augenblick mit dem Versuch verbracht, den Seelengießer richtig zu bedienen. War es da ein Wunder, dass sie Stimmen hörte?
»Ich würde liebend gern etwas Marmelade essen«, verkündete sie.
»Wahrbeermarmelade«, sagte Kabsal und hielt das kleine grüne Glas hoch. »Sie kommt von den Azisch. Der Legende zufolge sprechen diejenigen, die diese Beeren essen, nur die Wahrheit – bis zum nächsten Sonnenuntergang.«
Schallan hob eine Braue. Sie und Kabsal hatten im Garten des Konklaves – nicht weit von der Stelle entfernt, wo sie mit dem Seelengießer experimentiert hatte – ein Laken ausgebreitet und saßen auf Kissen, die sie darauf gelegt hatten. »Und das ist wahr?«
»Wohl kaum«, meinte Kabsal und öffnete das Glas. »Die Beeren sind ganz harmlos. Aber die Blätter und Stängel der Wahrbeerpflanze geben, wenn sie verbrannt werden, einen Rauch von sich, der die Menschen berauscht und Glücksgefühle bei ihnen hervorruft. Offenbar haben viele Völker die Stängel zum Feuermachen benutzt. Sie haben die Beeren am Lagerfeuer gegessen und hatten dann eine ziemlich … interessante Nacht.«
»Es ist ein Wunder …«, begann Schallan, biss sich aber auf die Lippe.
»Was?«, fragte er.
Sie seufzte. »Es ist ein Wunder, dass sie nicht als Geburtsbeeren bekannt wurden, wenn man bedenkt …«
Er lachte. »Das ist gut!«
»Sturmvater«, sagte sie und errötete. »Ich bin nicht gut im Anständigsein. Gebt mir bitte etwas von der Marmelade.«
Er lächelte und gab ihr eine Scheibe Brot, die bereits dick mit der grünen Marmelade bestrichen war. Ein mattäugiger Parscher, der ihnen vom Konklave bereitgestellt worden war, saß auf dem Boden neben einer Schieferborkenmauer und spielte die Anstandsdame. Es war so seltsam, mit einem Mann von ihrem Alter und nur einem einzelnen Parscher draußen zu sein. Es wirkte befreiend. Aufregend. Vielleicht waren diese Gefühle aber auch nur dem Sonnenlicht und der frischen Luft zuzuschreiben.
»Außerdem bin ich nicht besonders gut als Gelehrte«, sagte sie, schloss die Augen und atmete tief ein. »Ich mag es viel zu sehr, draußen zu sein.«
»Viele der größten Gelehrten haben ihr Leben mit Reisen verbracht.«
»Und für jeden Einzelnen von ihnen gab es hundert, die in einer Bibliothek und hinter Büchern verkümmert sind. Aber Ihr seid anders. Und das macht Euch so aufregend.«
Sie öffnete die Augen, lächelte ihn an und biss sinnlich in das Marmeladenbrot. Dieses Thaylen-Brot war sehr locker und erinnerte eher an Kuchen.
»Habt Ihr jetzt, da Ihr die
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