Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Marmelade esst, das Gefühl, ehrlicher zu sein?«, fragte sie, als er seine eigene Schnitte aß.
»Ich bin ein Feuerer«, entgegnete er. »Es ist meine Pflicht und Berufung, immer ehrlich zu sein.«
»Natürlich«, sagte sie. »Ich bin auch immer ehrlich. Und zwar so ehrlich, dass es mir manchmal die Lügen zwischen den Lippen nach draußen drückt. In mir gibt es gar keinen Platz mehr für sie.«
Er lachte herzlich. »Schallan Davar, ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der so süß ist, wie Ihr es seid, auch nur eine einzige Unwahrheit aussprechen könnte.«
»Damit es Euch nicht verrückt macht, werde ich sie also immer im Doppelpack von mir geben.« Sie lächelte. »Ich fühle mich hier ganz schrecklich, und das Essen ist schlecht.«
»Soeben habt Ihr all die Legenden um das Essen von Wahrbeermarmelade widerlegt!«
»Gut«, sagte Schallan. »Marmelade sollte nicht mythologisch sein, sondern süß, farbenprächtig und köstlich.«
»Wie junge Damen.«
»Bruder Kabsal!« Sie errötete wieder. »Das war aber gar nicht schicklich.«
»Und dennoch lächelt Ihr.«
»Ich kann nicht anders«, sagte sie. »Ich bin halt süß, farbenprächtig und köstlich.«
»Was das Farbenfrohe angeht, so habt Ihr Recht«, sagte er und amüsierte sich offensichtlich über ihr tiefes Erröten. »Und süß seid Ihr auch. Was allerdings das Köstliche angeht, so kann ich mir kein Urteil erlauben …«
»Kabsal!«, rief sie, obwohl sie keineswegs schockiert war. Sie hatte sich einmal versichert, dass er sich nur für sie interessierte, weil er ihre Seele schützen wollte, aber es fiel ihr immer schwerer, das noch zu glauben. Inzwischen besuchte er sie mindestens einmal in der Woche.
Er kicherte über ihre Verlegenheit, und sie errötete noch tiefer.
»Hört auf damit!« Sie hielt sich die Hand vor die Augen. »Mein Gesicht muss inzwischen dieselbe Farbe wie meine Haare angenommen haben! Ihr solltet so etwas nicht sagen; Ihr seid doch ein Mann der Religion.«
»Aber auch ein Mann, Schallan.«
»Einer, der gesagt hat, sein Interesse an mir sei rein akademisch. «
»Ja, akademisch«, meinte er gelassen. »Es erfordert viele Experimente und Feldforschungen.«
»Kabsal!«
Schallend lachte er und biss wieder in sein Brot. »Es tut mir leid, Hellheit Schallan. Aber das führt zu so netten Reaktionen. «
Sie brummte etwas, senkte den Kopf und wusste genau, dass er diese Dinge nur sagte, weil sie ihn dazu ermunterte. Sie konnte nichts dagegen tun. Niemand hatte je diese Art von Interesse an ihr gezeigt wie er. Sie mochte ihn – sie mochte es, mit ihm zu reden und ihm zuzuhören. Es war eine wundervolle Möglichkeit, das Einerlei ihres Studiums zu durchbrechen.
Natürlich gab es keine Hoffnung auf eine Verbindung mit ihm. Falls es ihr gelingen sollte, ihre Familie zu schützen, würde sie eine politische Ehe eingehen. Es diente niemandem, wenn sie mit einem Feuerer herumtändelte, der dem König von Kharbranth gehörte.
Ich muss bald damit anfangen, ihm die Wahrheit anzudeuten, dachte sie. Er muss wissen, dass dies hier nirgendwohin führt. Oder?
Er beugte sich zu ihr vor. »Seid Ihr wirklich das, was Ihr zu sein scheint, Schallan?«
»Fähig? Klug? Bezaubernd?«
Er lächelte. »Wahrhaftig.«
»Das würde ich nicht sagen«, meinte sie.
»Ihr seid es aber. Ich sehe es in Euch.«
»Ich bin nicht wahrhaftig, sondern naiv. Ich habe meine ganze Kindheit im Haus meiner Familie verbracht.«
»Aber Ihr habt nicht das Gehabe einer Einsiedlerin. Im Gespräch fühlt Ihr Euch wohl.«
»Mir blieb nichts anderes übrig. Ich habe den größten Teil meiner Kindheit in meiner eigenen Gesellschaft verbracht, denn ich hasse langweilige Gesprächspartner.«
Er lächelte, doch in seinem Blick lag Besorgnis. »Es ist eine Schande, dass jemand wie Ihr nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist ganz so, als würde man ein Bild mit der bemalten Seite zur Wand aufhängen.«
Sie lehnte sich zurück und stützte sich auf ihre Schutzhand, während sie den Rest ihrer Brotscheibe aß. »Ich würde nicht sagen, dass ich keine Aufmerksamkeit auf mich ziehe. Mein Vater hat mir oft sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt.«
»Ich habe von ihm gehört. Er hat den Ruf eines gestrengen Mannes.«
»Er …« Sie musste so tun, als würde er noch leben. »Mein Vater ist ein leidenschaftlicher und tugendhafter Mann. Aber er ist nie beides gleichzeitig.«
»Schallan! Das ist vielleicht das geistreichste, was ich Euch bisher habe sagen
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