Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Zuschauer tuschelten nun miteinander, als sie das Gebet bemerkten.
»Hellaugen heiraten oft wesentlich jüngere Frauen«, sagte Kaladins Mutter. »Für sie geht es beim Heiraten meist nur darum, ihr Haus zu sichern.«
»Er?«, fragte Kaladin noch einmal und trat ungläubig einen Schritt vor. »Wir müssen es verhindern. Wir müssen …«
»Kaladin!«, sagte sein Vater scharf.
»Aber …«
»Das ist ihre und nicht unsere Angelegenheit.«
Kaladin verstummte und spürte, wie die größeren Regentropfen seinen Kopf trafen, während die feineren als Nebel gegen ihn trieben. Das Wasser rann über den Platz und sammelte sich in Vertiefungen. Neben Kaladin sprang ein Regensprengsel auf, als bilde es sich gerade aus dem Wasser. Ohne zu blinzeln schaute es hoch.
Roschone stützte sich auf seinen Stock und nickte seinem Haushofmeister Natir zu. Dieser wurde von seiner Frau Alaxia, einer streng aussehenden Frau begleitet. Natir klatschte in die schmalen Hände und beruhigte die Menge. Bald war das leise Rauschen des Regens der einzige Laut.
»Hellherr Amaram«, sagte Roschone und deutete mit dem Kopf auf den helläugigen Mann in Uniform, »ist der abgesandte Marschall unseres Prinzentums. Ihm obliegt die Verteidigung unserer Grenzen, während der König und Großprinz Sadeas abwesend sind.«
Kaladin nickte. Jedermann kannte Amaram. Er war weitaus wichtiger als die meisten Militärs, die durch Herdstein kamen.
Amaram trat vor, um eine kurze Ansprache zu halten.
»Ihr habt hier eine so schöne Stadt«, sagte er zu den versammelten Dunkelaugen. Dabei war seine kräftige, tiefe Stimme zu hören. »Ich danke euch dafür, dass ihr mich aufgenommen habt.«
Kaladin runzelte die Stirn und sah die anderen Einwohner an. Über diese Worte schienen sie genauso verwirrt wie er zu sein.
»Für gewöhnlich überlasse ich diese Aufgabe einem meiner Offiziere«, fuhr Amaram fort. »Aber als ich meinen Vetter besucht habe, habe ich beschlossen, persönlich herzukommen. Diese Aufgabe ist nicht so lästig, dass ich sie weiterreichen müsste.«
»Verzeiht, Hellherr«, sagte Callins, einer der Bauern, »aber von welcher Aufgabe sprecht Ihr?«
»Natürlich von der Rekrutierung, guter Mann«, antwortete Amaram und nickte Alaxia zu, die mit einem Blatt Papier auf einem Brett vortrat. »Der König hat den größten Teil unserer Armeen auf seiner Reise zur Erfüllung des Rachepaktes mitgenommen. Meine Streitkräfte sind unterbesetzt, deshalb ist es notwendig, junge Männer aus jedem Ort zu rekrutieren, durch den wir kommen. Wo immer es möglich ist, nehme ich nur Freiwillige.«
Die Einwohner verstummten. Viele Jungen sprachen davon, zur Armee zu gehen, aber die wenigsten taten es. Herdsteins Pflicht war es, für die Ernährung zu sorgen.
»Mein Kampf ist nicht so glorreich wie der Krieg, der für den Rachepakt geführt wird«, sagte Amaram, »aber es ist unsere heilige Pflicht, unser Land zu verteidigen. Dieser Feldzug wird vier Jahre dauern, und wer seine Pflicht erfüllt hat, wird eine Zulage von einem Zehntel seines gesamten Soldes erhalten. Dann kann er zurückkehren oder sich für weitere Dienste verpflichten. Ihr könnt euch auszeichnen und in einen höheren Rang aufsteigen, was für euch und eure Kinder das Erreichen des nächsten Nahn bedeutet. Gibt es Freiwillige?«
»Ich gehe mit«, sagte Jost und machte einen Schritt nach vorn.
»Ich auch«, sagte Abry.
»Jost!«, rief seine Mutter und packte ihn am Arm. »Die Ernte …«
»Deine Ernte ist wichtig, Dunkelfrau«, sagte Amaram, »aber sie ist nicht annähernd so wichtig wie die Verteidigung unseres Volkes. Der König schickt Reichtümer von der geplünderten Ebene zurück, und die Edelsteinherzen, die er errungen hat, können Alethkar im Notfall auch ernähren. Ihr beide seid willkommen. Gibt es noch andere?«
Drei weitere Jungen traten vor – und auch ein älterer Mann, Harl mit Namen, der seine Frau an das Narbenfieber verloren hatte. Er war der Mann, dessen Tochter Kaladin nicht vor den Folgen ihres Sturzes hatte retten können.
»Ausgezeichnet«, sagte Amaram. »Noch jemand?«
Die Einwohner verhielten sich still. Das war seltsam. Die meisten Jungen, die Kaladin so oft über die Armee hatte reden hören, blickten nun weg. Kaladins Herz hämmerte, in seinem Bein zuckte es, als wolle es ihn vorwärtstreiben.
Nein. Er wünschte sich, Arzt zu werden. Lirin sah ihn an, und in seinen dunklen braunen Augen zeigte sich eine tiefe Besorgnis. Aber als Kaladin keinen Schritt
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