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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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sich bei diesem Delikt um Hochverrat handelt. Auch der Fangol-Orden hat ein Bittgesuch eingereicht …«
    In der Menge wurden erneut Buhrufe laut. Die schwarz gekleideten Mönche am Fuß des Galgens bemühten sich, nicht darauf zu achten.
    »Ein Bittgesuch«, wiederholte Azdeki. »Graf Oratio von Uster hat Kaiser und Klerus wiederholt beleidigt und trotz einer Warnung des Bischofs von Emeris keinerlei Reue an den Tag gelegt. Angesichts dieser Anschuldigungen und trotz des tiefen Schmerzes Seiner Majestät, unseres Kaisers, sehe ich mich gezwungen, einen Schuldspruch zu fällen.«
    Gezwungen wirkte der Mann jedoch keineswegs. Laerte prägte sich sorgfältig jeden Zug seines Gesichts ein. Und auch den Namen des Hauptmanns, der das Unglück über seine Familie brachte, kannte er: Etienne Azdeki. Noch immer glaubte er keine Sekunde daran, dass man seinen Vater und seinen Bruder wirklich hinrichten würde. Gewiss würde gleich jemand auftauchen, um sie zu retten.
    »Meine Hand«, sagte plötzlich eine sanfte Stimme neben ihm.
    Er wandte den Kopf und sah in Esylds traurige Augen. Hastig senkte er den Blick.
    »Halte meine Hand. Nimm sie und drück sie, so fest du willst«, flüsterte sie.
    Sie ließ ihre Hand in seine gleiten, und er umklammerte ihre Finger, als wären sie das wertvollste Gut auf der ganzen Welt. Ihre Haut war weich, ihre Wärme tröstlich. Ihre Anwesenheit beruhigte ihn. Mit aller Macht musste er den Wunsch bekämpfen, sie in die Arme zu nehmen, weil er fürchtete, sie könnte ihm entwischen.
    »Oratio Montague, Graf von Uster, wird des Hochverrats am Kaiserreich sowie an Seiner Majestät, unserem Kaiser Asham Ivani Reyes, sowie der Lästerung der Götter und der Schmähung ihrer Stellvertreter auf Erden, der Fangol-Mönche, für schuldig befunden. Laut Gesetz steht darauf die Todesstrafe sowohl für ihn selbst als auch für seine Nachkommenschaft.«
    Ein unzufriedenes Raunen ging durch die Menge. Die Soldaten senkten drohend ihre Lanzen. Die Mönche zogen sich ein Stück zurück, schlugen ihre Kapuzen über die kahl rasierten Schädel und begannen zu psalmodieren. Azdeki drehte sich zum Grafen um und ging auf ihn zu.
    »Tod durch den Strang«, fügte er hinzu und blickte Uster tief in die Augen.
    Auf dem weißen Hemd und im Bart des Grafen klebte Blut, und unter seinen Augen zeichnete sich ein Bluterguss ab, doch seine aufgeplatzten Lippen zeigten ein unverschämtes Lächeln.
    »Lacht ruhig weiter, Graf«, raunte Azdeki aufgebracht. »Ihr habt die Hand gebissen, die Euch ernährte. Jetzt seid Ihr am Ende.« Er trat ganz dicht an ihn heran und fügte flüsternd hinzu: »Am Ende eines Strangs.«
    Wie schmutzig und abgehalftert Uster doch in seiner unordentlichen Kleidung aussah! Daran änderte auch seine hoheitsvolle Haltung gegenüber dem Volk nichts. Neben ihm unterdrückte sein ältester Sohn ein Schluchzen.
    Der Graf hatte seine Familie verteidigt, sich ihrer Verhaftung widersetzt und in den Gängen des Wehrturms gegen die Soldaten gekämpft. Doch seine Tapferkeit hatte nicht ausgereicht. Nun stand er hier auf dem Podest neben seinem ältesten Sohn und wusste nicht, welches Schicksal seiner Frau und Tochter drohte. Nur zwei Dinge hielten ihn noch aufrecht: die absolute Notwendigkeit, als würdiger Märtyrer zu sterben, um sein Werk nicht mit dem letzten Atemzug zunichtezumachen, und das Wissen darum, dass ein Familienmitglied hatte fliehen können. Laerte. Sein kleiner Laerte hatte sich wieder einmal mit der Tochter des Schmieds in den Sümpfen herumgetrieben. Wenigstens einer, den Azdeki weder foltern noch aufhängen würde.
    »Drück meine Hand«, flüsterte Esyld dem Jungen ins Ohr.
    »Henker!«, rief Azdeki.
    In diesem Augenblick entdeckte der Graf voller Entsetzen das Gesicht seinen Jüngsten in der Menge.
    »Walte deines Amtes!«
    »Du darfst drücken, so fest du willst.«
    Zum ersten Mal im Leben las Laerte Angst in den Augen seines Vaters.
    Der Henker legte einen Hebel um. Es ratterte, dann gaben die Bretter unter den Füßen der Verurteilten nach.
    Ein Knirschen … und dann hörte man nur noch den Wind, der Regentropfen über die vor Entsetzen stumme Menge trieb. Die beiden Gehenkten pendelten an ihren Seilschlingen.
    Laerte schloss die Augen. Ein unsäglicher Schmerz brach über ihn herein. Seine Hand umklammerte die von Esyld. Als er in die Knie zu gehen drohte, schlang sie den Arm um seine Schultern und führte ihn aus der Menschenmenge, die nach und nach wieder zum Leben erwachte.
    »Volk

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