Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
d’Aëd sofort verlassen, Orbey.«
»Ich weiß«, nickte der Schmied. »Meine Tochter sattelt bereits die Pferde. Aber was dann?«
»Danach müssen wir weitersehen. Die Baronien im Südwesten haben den Grafen immer respektiert. Einige haben ihm gar öffentlich zugestimmt. Zunächst müssen wir einen Ort finden, wo wir in aller Ruhe den Aufstand vorbereiten können.«
»Ein Aufstand? Meurnau, daran denkt Ihr doch nicht wirklich?«, entrüstete sich der Schmied.
»Herr Hauptmann?«, meldete sich Laerte schüchtern.
Doch die beiden Männer am Fenster achteten nicht auf ihn. Draußen auf dem Kirchplatz wurde ein Galgen errichtet.
»Das hätte der Graf nicht gewollt«, fuhr Orbey fort.
»O doch, genau das will er, Schmied«, widersprach Meurnau. »Das Kaiserreich siecht dahin. Es ist Zeit, das Steuer herumzureißen.«
»Aber nicht mit Gewalt.«
»Herr Hauptmann«, versuchte Laerte es von Neuem und trat mit geballten Fäusten einen Schritt vor. In seinem Kopf nagte eine drängende Frage, doch niemand achtete auf ihn.
»Wenn der Kaiser den Salinen die Regierung nimmt, ohne das Volk zu fragen, werden die Salinen ihre Unabhängigkeit erklären«, fauchte Meurnau. »Wir haben uns lange genug den Gelüsten eines Tyrannen gebeugt. Uster vogelfrei zu erklären und ihn nach allem, was er für den Hof getan hat, derart verächtlich zu behandeln, das geht einfach zu weit, Schmied. Das geht zu weit!«
» HAUPTMANN MEURNAU! «, brüllte Laerte.
Erschrocken drehten sich die beiden Männer um und entdeckten Laerte, der wild entschlossen vor ihnen stand. Meurnau hatte den Jungen im Zweikampf trainiert, ohne seine Zweifel an dessen Talent zu verbergen. Von den drei Kindern Usters betrachtete Laerte sich als das zurückhaltendste und schwächste und zog sich gern aus der Affäre. Nie hätte er erwartet, einmal so seine Stimme zu erheben, und das nicht etwa arrogant, sondern mit einer Autorität, die der des Grafen ähnelte. Doch dabei beließ er es nicht. Zu überwältigend war sein Ärger.
»Wo sind mein Vater und meine Mutter?«, fragte er.
»Laerte, wir versuchen gerade, die Situation einigermaßen unter Kontrolle zu bringen«, erklärte Meurnau. »Ich möchte Euch bitten, auf Eurem …«
»Ihr sagt mir jetzt sofort, was hier vorgefallen ist!«, beharrte der Junge und wich dem Blick des Hauptmanns nicht aus. »Wo ist meine Familie? Warum wurde nichts unternommen? Sagt es mir.«
Der Hauptmann blinzelte. Es war das erste Mal, dass ihm Laerte mit seinen zwölf Jahren einen Befehl gab. Offenbar verließ er sich auf den Respekt, den Meurnau ihm schuldete, und war entschlossen, ihm nötigenfalls die Stirn zu bieten, um die gewünschten Antworten zu erhalten. Der Schmied indes kam dem Hauptmann zuvor.
»In der Stadt herrscht große Verwirrung, Herr«, begann er. »Hauptmann Azdeki hat Euren Vater und Euren Bruder festnehmen lassen und klagt sie des gegen das Kaiserreich gerichteten Hochverrats an. Eure Mutter und Eure Schwester hat man ebenfalls mitgenommen. Wir konnten sie nicht …«
»Euer Vater hat nichts und niemanden verraten, Laerte«, presste der Hauptmann zwischen den Zähnen hervor. Das Vorgehen Azdekis widerte ihn an.
»Aber warum lügen sie?«, wollte Laerte wissen. »Warum tun sie das?«
»Zweifellos will der Fangol-Orden sein Vermögen zurückholen«, antwortete Meurnau. »Und der Kaiser ist so schwach, dass er sich nicht widersetzt.«
»Eure Familie besitzt einige Dinge, die Begehrlichkeiten wecken, Herr«, fügte der Schmied verlegen hinzu.
Das jedoch wollte Laerte gar nicht wissen. Im Augenblick gab es Wichtigeres. Seine Angst schnürte ihm fast die Kehle ab. »Wo ist er? Wo ist mein Vater?«
Seine Stimme zitterte jetzt, denn er rechnete mit dem Schlimmsten.
»Meister Orbey! Wo ist mein Vater?«
Der Schmied trat mit gesenktem Kopf einen Schritt zur Seite und gab das Fenster frei.
»Er wurde bereits verurteilt, Herr.«
Hinter den Holzdächern war der Galgen zu erkennen. Jemand würde gehenkt werden. Laerte blickte nacheinander die beiden Männer an. Er verstand nicht, und er wollte nicht verstehen. Ihn interessierte weder das Wann noch das Wo, Wie oder Warum. Aber die Untätigkeit des Hauptmanns erfüllte ihn mit rasender Wut.
»Und Ihr wollt ihn einfach so sterben lassen?«
»Laerte …«, seufzte Meurnau.
»Rettet ihn! Verhindert dieses Urteil!«
»Laerte! Beruhigt Euch.«
»Feigling!«, schrie der Junge. »Geht und kämpft für ihn! Ihr untersteht unserem Befehl! Also gehorcht gefälligst!
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