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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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schlief ein, als die Sonne am höchsten stand.
    In den folgenden Tagen verwandelte sich der kurze Trost in tiefste Verzweiflung. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Laerte fühlte sich unendlich einsam. Bestimmt hatte Meurnau nicht überlebt.
    Aus Tagen wurden Wochen. Der Frühling kam, und der Salinen-Wind wurde wärmer. Vom Hunger geplagt hatte Laerte gelernt, Bienenstock-Frösche zu jagen, weil er sich daran erinnerte, dass Esyld den Geschmack ihres Fleischs mit dem von Hühnchen verglichen hatte.
    Sein Versuch, Feuer zu machen, blieb erfolglos und brachte ihm nur zerschnittene Hände ein. Schließlich beschloss er, die Frösche roh zu verzehren, musste aber bei jedem Bissen einen Würgereiz unterdrücken. Das Fleisch war zäh, das Blut klebrig und die Sehnen hart. Doch er fand auch andere Nahrung. Alles, was er von Esyld gelernt hatte und was ihm damals so sinnlos erschienen war, konnte er jetzt zum Überleben gebrauchen. Vor allem die Frösche lieferten wichtige Grundlagen. Aus dem Schleim der einen Art konnte man Salben herstellen, andere schmeckten wirklich gut.
    Manchmal reizte ihn die Vorstellung, sein Versteck zu verlassen und nach Guet d’Aëd zu wandern. Doch erstens wusste er nicht, ob er im Sumpf den richtigen Weg finden würde, und zweitens fürchtete er sich vor dem, was ihn dort erwartete. Wenn Meurnau und seine Männer überlebt hätten, hätten sie sich sicher längst auf die Suche nach ihm gemacht. Es sei denn, sie hielten ihn für tot.
    Je mehr Tage vergingen, desto verzweifelter wurde Laerte. Die Angst lähmte ihn. Er unternahm nichts mehr. Niedergeschlagen, hungrig und verdrossen vegetierte er vor sich hin.
    Eines Tages war er dem Tod so nah, dass ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sich noch nicht zum Sterben bereit fühlte. Er stand auf und beschloss, sich nicht aufzugeben.
    Aus Wochen wurden Monate. Dem lauen Frühling folgte ein heißer Sommer. Eines Tages, Laerte war gerade ein gutes Stück entfernt von seinem Schlupfwinkel auf der Jagd nach Bienenstock-Fröschen, hörte er eine laute Stimme.
    »Azdeki! Himmeldonnerwetter! Tomlinn!«
    Aus seinem Versteck im Gras erblickte er einen Reiter, der sein Schwert durch die Luft wirbelte. Drei knurrende Rouargs umrundeten ihn.
    »Tomlinn! Azdeki!«
    Als sich eines der Tiere auf den Reiter stürzte, hätte sich Laerte am liebsten davongemacht. Doch es war nicht morbide Neugier, die ihn dazu trieb, dem Massaker zuzuschauen – vielmehr verspürte er Rachegelüste. Diese Leute hatten seine Familie umgebracht. Ihm war, als würde die Natur seines Landes den Grafen von Uster und die Seinen rächen.
    Er richtete sich kurz auf, um besser sehen zu können, wie der Reiter verschlungen wurde, ging aber sofort wieder in die Knie. In der Ferne hatte er mindestens sechzig Männer ausgemacht. Sie transportierten schwere Holzteile, die wie eine auseinandergenommene Brücke aussahen. Als er erneut wagte, den Kopf zu heben, sah er die Männer ihrer Wege gehen, ohne sich um das Schicksal ihres Kameraden zu kümmern.
    »Azdeki! Tomlinn!«, schrie der Ritter.
    Das Knurren des Rouarg übertönte seine Stimme. Nicht mehr lange, und es wären nur noch Fetzen von ihm übrig. Laerte beschloss zu verschwinden. Er wollte die Todesschreie des Mannes nicht hören. Falls einer der Rouarg ihn entdeckte, würde ihn außerdem das gleiche Schicksal ereilen.
    Er wollte sich gerade umdrehen, als ihm die Pfeife einfiel. Plötzlich fühlte er sich schuldig. Zuzuschauen, wie ein Mann starb, war eine Sache, aber nicht einzuschreiten, wenn man die Möglichkeit hatte, eine ganz andere. Sein Rachedurst versiegte und hinterließ eine tiefe, unerwartete Scham. Sollte er diesen Mann wirklich sterben lassen?
    Ein merkwürdiges Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Er glaubte zu träumen. Der Rouarg wurde wie von einer unsichtbaren Kraft weit emporgeschleudert, gleichzeitig mit einem Pferdekadaver. Ein furchtbarer Schrei zerriss die Luft, so gellend, dass sich Laerte unwillkürlich die Ohren zuhielt. War es möglich, so sehr zu leiden? Der Schrei hatte nichts Menschliches. Als er verstummte, senkte sich eisiges Schweigen über das Moor. Laerte griff in seine Tasche und umklammerte die Pfeife. Er hielt sie so fest, dass er glaubte, das Holz dringe in seine Handfläche ein. Als er hörte, wie sich der nächste Rouarg näherte, führte er die Pfeife an die Lippen und wollte sie benutzen, schnell und laut. Doch kein Ton war zu hören. Das Getrampel kam näher, das Gras bewegte

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