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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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bewegte sich nicht. Die Soldaten stürmten aus dem Haus. Schlachtrufe wurden laut. Schwerter klirrten. Männer schrien. Doch alles erschien dem Jungen ungeheuer langsam und weit, weit entfernt …
    Eine heftige Ohrfeige riss ihn aus seiner Lethargie. Die Kaiserlichen! Die kaiserlichen Soldaten waren da! Eine Welle aus Angst brach über ihm zusammen und ließ ihn nicht mehr los.
    »Flieht, Laerte! Geht! Flieht!«, schrie Meurnau ihn an und riss die Tür auf.
    Ohne sich umzusehen stürmte der Junge in die Nacht hinaus. Außer seinem wild pochenden Herzen nahm er nichts wahr. Er stürzte und rappelte sich wieder auf. Das Kampfgetümmel hinter ihm wurde lauter. Riesengroß zeichneten sich die Schatten der Kämpfenden auf einer Mauer ab.
    »Laerte?«, rief eine zarte Stimme.
    Keuchend kam Esyld durch die Nacht auf ihn zugerannt. Entsetzliche Angst spiegelte sich in ihren Augen.
    »Flieh!«, schnaufte sie. »Geh …«
    Laerte blieb stehen. Er war verwirrt und wusste nicht mehr, was er tun sollte. Wohin? Kämpfen oder fliehen? Weit fort von ihr, oder in ihren Armen sterben? Oder …
    »Geh, Laerte. Geh!«
    Plötzlich klang ihre Stimme scharf und verletzend wie eine Peitsche. Sie bat ihn nicht zu gehen – sie befahl es ihm. Ihr sonst immer sanftes Gesicht wirkte so hart, dass er sie kaum wiedererkannte.
    »Geh!«, wiederholte sie. »Verschwinde!«
    Und er rannte. Rannte durch die Nacht. Rannte durch das hohe Sumpfgras, das ihm ins Gesicht peitschte. Rannte, so schnell er konnte, bis der Kampflärm ein fernes Echo war und nur noch das kalte Licht der Sterne seinen Weg erhellte.
    Irgendwann wurden ihm die Beine schwer. Sein Atem ging stoßweise, doch er hielt nicht an. Noch immer hörte er in seinem Kopf die strenge, verbitterte Stimme von Esyld: Geh, flieh, verschwinde.
    Seine Stiefel versanken in fauligem Wasser, doch er lief weiter. Zäher Morast erschwerte seine Schritte. Er lief und lief, stürzte und schlug sich das Knie an einem Stein auf. Schluchzend stand er auf und rannte weiter.
    Seine Brust glühte. Ihm schwindelte. Sein Atem ging pfeifend, und sein Herz schien zerspringen zu wollen. Tränen strömten ihm über die schmutzigen Wangen. Vor ihm herrschte tiefste Finsternis, in der es knirschte, knackte und knisterte. Überall fremdartige Laute. Leise strich der Wind durch die Gräser. Laerte war allein. Ganz allein im Dunkeln.
    Als er erneut hinfiel, stand er nicht wieder auf. Ringsum herrschte schwarze Nacht. Es war still. Friedlich still. Ein leises Geräusch wie ein fernes Piepsen klang an sein Ohr.
    Laerte blinzelte. Sein Mund war voll mit etwas Teigigem, das säuerlich schmeckte. Er hustete und schloss die Augen.
    Der Wind strich über seine Wange und zerzauste sein verklebtes Haar. Er hustete noch einmal. Langsam erholte er sich ein wenig. Er lag auf dem Bauch zwischen den hohen Gräsern im Moor, ein Teil seines Gesichts war tief in die feuchte Erde eingesunken. Hastig stand er auf und spuckte den Schlamm aus. Bald fühlte er sich etwas besser. Er hatte keine Ahnung, wie lange er gelaufen war. Um ihn herum war Moor, so weit das Auge reichte. Bis auf … Auf einer kleinen, trockeneren Erhebung entdeckte er den umgekippten Karren mit dem Hornissennest. Mühsam schleppte er sich dorthin. Er fühlte sich unendlich müde, sein Kopf war leer. Kaum hatte er die trockene Grasinsel erreicht, brach er zusammen und verlor das Bewusstsein.
    Als er wieder zu sich kam, schwirrten tausend Fragen durch seinen Kopf. Was würde nun aus ihm werden? Was sollte er tun? Wo sollte er hingehen? Wie konnte er ganz allein überleben? Hatte Meurnau die Kaiserlichen besiegen können? Und Esyld? Sie hatte bestimmt überlebt, dessen war er sicher. Sie konnte nicht sterben. Er würde sie wiederfinden und …
    Nein. Nichts war jetzt noch sicher. Das Kaiserreich hatte seine Familie ausgelöscht und jagte ihn wie ein wildes Tier. Er war nur ein Flüchtling in äußerster Bedrängnis.
    Das Hornissennest lag zerstört am Boden. Der Anblick entlockte ihm einen Freudenschrei. Er war so erleichtert, dass ihm beinahe die Tränen kamen. Der Erain-Frosch hatte sich an den Insekten gütlich getan und nichts übrig gelassen als die trockene Hülle ihres Nests. Damit war der Karren fast so heimelig wie die Häuser von Braquenne.
    Laerte begann, die Kisten zu durchsuchen und sich einigermaßen bequem in seinem Versteck einzurichten. Er legte Stofffetzen auf den Boden, verschlang eingemachte Pfirsiche, als hätte er seit Tagen nicht zu essen bekommen, und

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