Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
jetzt tun?«
Trotz des leisen Vorwurfs in der Stimme blieb sie freundlich. Sie wollte die ohnehin verfahrene Situation nicht noch verschlimmern. Widerwillig musste er anerkennen, dass sie es verstand, Ruhe auszustrahlen. Aber sie war einfach zu jung, um seine Gefühle für Dun zu begreifen.
»Er sollte besser nicht hierbleiben«, fuhr Viola fort. »Schließlich haben wir, was wir wollten. Aber was fangen wir jetzt mit ihm an? Wenn wir ihn laufen lassen, erzählt er es überall herum. Er ist zwar ein stadtbekannter Säufer, aber er könnte trotzdem eine gewisse Aufmerksamkeit erregen, die wir im Augenblick wirklich nicht brauchen können.«
»Rogant kann hier auf ihn aufpassen«, gab Laerte kurz angebunden zurück.
»Wenn De Page aber erfährt, dass …«
»Er wird schon nichts sagen. Ich weiß schon, was ich tue. Vertrau mir einfach.« Heftig streifte er seine Kapuze über. »Im Übrigen hast du völlig recht: Das hat er nicht verdient. Er hat nämlich noch viel mehr verdient.«
Laerte drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Haus, ehe sie etwas darauf antworten konnte.
3
GARMARET
Dort drüben wirst du deine Unschuld töten, mein Junge.
Und du darfst mir glauben,
dass mich das am meisten betrübt.
E r ließ sich auf die Seite fallen und versteckte sich so gut es ging im hohen Gras.
»Hat man euch das Wachestehen etwa so beigebracht?«, dröhnte eine Stimme.
»Was denn? Ich musste doch nur mal pinkeln«, antwortete eine andere unbekümmert.
Die Nacht war hell. Jeder Schritt in seine Richtung hätte die Soldaten dazu bringen können, ihn zu entdecken. Er war so jung und auf der Flucht. Auf der Flucht aus den Salinen.
»Du darfst niemals deinen Posten verlassen, ohne den anderen Bescheid zu sagen«.
»Wir sind erst seit gestern hier im Einsatz«, verteidigte sich der Soldat. »Wir haben doch keine Ahnung von diesen Dingen. Man hat uns lediglich gesagt, wir sollten vor den Katapulten hin und her gehen.«
»Wo kommt ihr her?«
»Aus Bois d’Avrai, Hauptmann. Wir sind fünfzehn Mann.«
Sein Holzschwert. Es lag nur wenige Zentimeter entfernt von seinem ausgestreckten Arm, doch er durfte nicht die geringste Bewegung machen. Sein Herz pochte zum Zerspringen, sein Atem ging schwer, der Brustkorb schien zu eng zu sein.
»Ihr müsst immer …«
Ein paar Meter entfernt trat ein Hauptmann in glänzenden Stiefeln einen Schritt vor.
»Himmeldonnerwetter, was habt ihr denn da gemacht?«
»Na ja, wir haben die Katapulte in eine Reihe gestellt.«
Es war nur ein Schritt, doch durch diesen entdeckte er den Umriss des ausgestreckten Körpers auf dem Boden. Als der Mann sein Schwert aus der Scheide zog, sah Laerte keine andere Möglichkeit, als selbst vorzupreschen. Behände rollte er herum, packte sein Holzschwert und sprang mit einem Satz auf. In den vergangenen Monaten hatte er ausgiebig geübt.
»Du?«, fragte der Mann überrascht. »Wieso?«
Das narbige, nur schwach von den hohen Fackeln des Lagers erhellte Gesicht erstarrte. Der Offizier war kahlköpfig, hatte breite Schultern und eine gespaltene Lippe.
Wenn du mir ständig davonläufst, kann ich dich nicht beschützen. Falls die kaiserlichen Truppen dich entdecken, gehe ich davon aus, dass deine Beine schnell genug sind.
Auch Laerte war verblüfft. Die Rouargpfeife in seiner Hosentasche wog plötzlich ungeheuer schwer.
… kann ich dich nicht beschützen …
Madog starrte den Jungen an.
»Aber was …«
… dich beschützen …
Bei Tagesanbruch schreckte er schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Seit sie die Salinen verlassen hatten, suchte ihn sein schrecklicher Entschluss jede Nacht heim. Sobald er einschlief, kehrte immer wieder der gleiche Albtraum zurück: seine unwiderrufliche Entscheidung, eines Mordes schuldig zu werden. Er war nicht in Lebensgefahr gewesen, als sein Holzschwert in die Kehle des Mannes eindrang. Verzweifelt bemühte er sich, seine Schuldgefühle zu besänftigen. Er versuchte zu vergessen und sich zu überzeugen, dass er vernünftig gehandelt und keine andere Wahl gehabt hatte.
»Wer ist Madog?«, erkundigte sich eine Stimme hinter ihm.
Zwei Tage lang waren sie geritten und hatten nur ange halten, um ihre Pferde verschnaufen zu lassen. Bis zum großen Wald von Garm, der Trennungslinie zwischen den Salzsümpfen und der landwirtschaftlich genutzten Ebene von Garm-Sala, hatten sie ihre Tiere zum Galopp angetrieben.
Dun schirrte die Pferde an und beobachtete den Jungen.
»Niemand«, antwortete Laerte und zog die Knie
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