Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
blanken Dolch aus dem Gürtel, packte den Kaiser am Nacken und presste ihm die Klinge an den Hals. Wie gebannt verfolgte Laerte das Geschehen. Alle Anwesenden erschienen unglaublich ruhig, während draußen die Kaiserstadt in die Hände der Widerstandskämpfer fiel.
»Meurnaus Zeit ist vorüber«, erklärte Azinn und warf Laerte einen seltsamen Blick zu. »Wir müssen uns beeilen. Und nachdem Oratios Sohn schon so viele Jahre unter uns weilte, lügen wir keineswegs, wenn wir ihn zum Verräter an der Revolution erklären.« Zufrieden strich er sich über den kahlen Schädel, den nur noch eine einzige weiße Strähne zierte.
Diese Leute würden den Krieg überleben. Sie würden sich zu Siegern erklären und zu Helden werden, denen der Untergang des Kaiserreichs zu verdanken war. Sie alle umstanden Laerte und musterten ihn. Nur wenige Schritte entfernt bedrohte Bernevin den Kaiser mit seinem Dolch. Über die mit Geschwüren bedeckten Wangen des Kaisers liefen Tränen. Die fernen Flammen, die sein Reich in Schutt und Asche legten, warfen zuckende Schatten auf sein Gesicht. Er war verloren. Der Marquis von Enain-Cassart lehnte an einer Säule und verfolgte genüsslich die Entwicklung der Dinge.
»Wir waren uns zwar sicher, dass du überlebt hattest, allerdings vermuteten wir dich in der Führungsspitze der Revolte. Wie kann das angehen?«
»Die Register«, grinste Azdeki und nickte zufrieden. »Das muss es ein. Aus diesem Grund hat Meurnau die Register von Guet d’Aëd verbrannt. Er wollte uns dein Alter verbergen.«
»Nun, dieses Missverständnis können wir jetzt leicht widerlegen«, freute sich Azinn. »Das Geheimnis um Laerte von Uster ist gelöst.«
»Somit warst du uns nützlich bis zu deinem bitteren Ende«, sagte Azdeki zu dem jungen Mann. »Laerte, Grenouille, wie auch immer – jedenfalls hast du ganz allein ein Kaiserreich zu Fall gebracht.«
Er schien es ehrlich zu meinen. In seinen Augen lag ein seltsamer Funken Reue.
»Aber ich bin euer Kaiser«, schluchzte Reyes plötzlich auf.
»Die Zeiten ändern sich, Reyes«, erklärte Etienne ruhig. »Das Volk braucht jetzt ein anderes Schicksal. Ein Schicksal, über das nur die Götter entscheiden. Euer Schicksal hingegen endet hier. Woran werdet Ihr Euch erinnern, Reyes? Die Mönche des Fangol-Ordens sagen: Eines Tages erreichen wir in unserem Leben die Kreuzung zwischen dem, was wir waren, dem, was wir sind, und dem, was wir werden. In diesem Augenblick, am Ziel aller Dinge, entscheiden wir, wie unser Ende aussehen wird. Erinnert Ihr Euch an diesen ekelhaften Krüppel, der Ihr immer gewesen seid? Oder an all das, was Ihr letzten Endes nie getan habt? Seid Ihr stolz oder schämt Ihr Euch Eurer Regierungszeit, Reyes? Jetzt, wo das Volk gegen die Tore Eures Palasts drängt …«
Laerte blieb stumm. Sein Gesicht zeigte immer noch die gleiche Wut, während er abwechselnd den Hauptmann und den Kaiser taxierte. Was sollte er tun? Würde er wieder einmal versagen? Seine Schulter schmerzte bei jedem Atemzug.
In den Salinen gab es nur einen Helden. Merkt euch diesen Namen: Dun-Cadal Daermon.
Dun hatte es damals geschafft, sich aus einer ebenso ausweglosen Situation zu befreien. Inmitten all dieser Soldaten blieb Laerte nur eine Wahl.
»Laerte«, rief der Kaiser mit seiner Zitterstimme. »Diese da waren es. Sie haben immer entschieden. Auch über das Schicksal Eures Vaters. Sie haben mich gezwungen. Ich weiß längst, dass Oratio nie Verrat geübt hat.«
Er hob den Blick, als wollte er Bernevin herausfordern.
»Logrid … Logrid hat mich gewarnt, aber ich habe ihm nicht geglaubt. Er hat Euch als das erkannt, was Ihr wirklich seid: niederträchtig. Es geht um das Liaber Dest , nicht wahr? Logrid war klar, dass eines Tages jemand von seiner Existenz erfahren und Begehrlichkeiten entwickeln würde. Was Uster angeht, so habt Ihr mich angelogen. Aber wer hat es Euch verraten? Wer?«
»Oratio selbst«, murmelte Bernevin, als wollte er Reyes provozieren.
»Bernevin«, mahnte Azdeki und zwinkerte dem Grafen zu.
Bernevin verstand sofort und stieß zu. Die Klinge durchtrennte die Gurgel des Kaisers. Draußen krachte eine heftige Explosion. Menschen schrien. Blut sprudelte stoßweise aus der Wunde. Lautlos sackte Asham Ivani Reyes in sich zusammen.
Unwillkürlich wich Laerte einen Schritt zurück. Sofort brachten die Wachsoldaten ihre Lanzen in Stellung. Etienne Azdeki hob beschwichtigend die Hand.
»Das Liaber Dest? «, erkundigte sich Laerte verwirrt.
»Ach, du
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