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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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und wich einen Schritt zurück.
    »Runter mit der Maske«, donnerte Laerte. »Ich will dein Gesicht sehen.«
    »Grenouille?«, wunderte sich der Kaiser. »Bist du nicht der Knappe von … bei allen Göttern!«
    »Die Maske!«, wiederholte der Junge und brachte drohend das Schwert in Stellung.
    Die Stadt brannte. Flammenreflexe tanzten auf den Marmorsäulen. Dunkler Rauch wälzte sich über die Bäume unter dem Balkon hinweg in den Sternenhimmel. Die Festungsmauern erzitterten unter den Kanonenangriffen der Aufständischen. Nein, das war kein Aufstand mehr – es war die Revolution.
    »Zeig mir endlich dein verfluchtes Gesicht!«
    »Wozu? Was willst du von mir? Wo ist Logrid? Du kannst ihn unmöglich getötet haben.« Mit jedem Satz wich Reyes verängstigt ein Stück zurück. Sein seltsam geformter Arm glitt unter sein Gewand.
    Weil Laerte befürchtete, der Kaiser könne Eraëd ziehen, warf er sich mit unbändiger Wut auf ihn. Reyes strauchelte und stürzte. Er schluchzte laut auf. Klappernd fiel seine Maske zu Boden und bekam einen tiefen Riss. Sein unbedecktes Gesicht wirkte weder würdig noch kaiserlich. Reyes war nur noch ein zitterndes, verängstigtes Bündel Mensch, das Laerte furchtsam die Arme entgegenstreckte. Doch der erwartete Angriff erfolgte nicht. Laerte war verblüfft stehen geblieben.
    Der Kaiser hatte ihm nur eine Hand mit gespreizten Fingern entgegengestreckt. Die andere Hand erwies sich als unförmiger, mit weißlichen, ekelhaften Wülsten bedeckter Fleischfetzen.
    »Nicht!«, flehte Reyes. »Bitte tu es nicht!«
    »Monster!«, fauchte Laerte angewidert den Mann an, den er sein Leben lang gehasst hatte.
    Das Gesicht des Kaisers hatte kaum noch etwas Menschliches. Es bestand aus Beulen, Löchern, Narben und Wülsten. Eine schreckliche Krankheit zerfraß seine Züge. Über Reyes’ rechtem Auge hing ein aufgedunsenes Augenlid, und seine Nase bestand lediglich aus zwei schwarzen Spalten über einer Hasenscharte.
    »Tu mir nicht weh«, winselte er.
    »Mein Vater hätte nie so gebettelt«, sagte Laerte und spuckte Reyes vor die Füße. »Als er in den Salinen aufgehängt wurde, hat er nicht um sein Leben gefleht.«
    Der Kaiser riss die Augen auf. Allmählich schien er zu begreifen.
    »Hat meine Mutter etwa darum gebettelt, dass man ihr nicht wehtun sollte?«, schrie Laerte und kam bedrohlich näher. »Oder meine kleine Schwester?«
    Reyes senkte den Kopf wie ein Hund, der Schläge befürchtet. Sein ganzer Körper zuckte.
    »Das wollte ich nicht«, jammerte er. »Nicht ich habe den …«
    »Doch, Reyes, du bist schuld an diesem Krieg. Und du wirst dafür bezahlen.«
    »Ich wollte das alles nicht. Wirklich nicht«, jammerte der Kaiser.
    »Du hast meine Familie getötet«, brüllte Laerte.
    Wie eine Antwort wummerte Kanonendonner zu ihnen herauf. In den Straßen von Emeris klirrten Schwerter. Die Aufständischen waren in die Stadt eingedrungen. Viele Häuser standen in Flammen.
    Der Kaiser kauerte zu Füßen Laertes und warf dem jungen Mann einen flehenden Blick zu. »Sieh mich doch an. Ich bin nicht so, wie man sagt. In Wirklichkeit bin ich ein armseliger Krüppel, der sich hinter einer goldenen Maske verbergen muss.« Dicke Tränen rannen über sein zerfressenes Gesicht. »Im Grunde meines Herzens bin ich kein schlechter Mensch. Ich habe mich immer um das Wohl meines Volkes gekümmert und niemals den Befehl gegeben, dass eine ganze Familie … Nur dein Vater wurde verurteilt, denn nur er hat mich bedroht.«
    Laerte fühlte sich nicht im Stande, Nachsicht walten zu lassen. Er verstand nicht einmal die Beweggründe des Kaisers. Sein jugendliches Ungestüm siegte über die Vernunft. Obwohl er ein gewisses Mitleid für das körperliche Elend des Kaisers empfand, mahnte er sich, dass es seine Aufgabe war, die Sache zu Ende zu bringen. Er ließ sein Schwert kreisen und unterdrückte eine schmerzliche Grimasse.
    Seine Wunde begann wieder zu bluten. Die warme Flüssigkeit sickerte durch die Bandage und verursachte einen großen Fleck unter der Lederweste.
    Er zögerte. Zitternd und fiebrig richtete er die Klinge auf den zusammengekauerten Mann. Sollte er Milde walten lassen? Oder Mitleid haben? Für dieses unsägliche Etwas zu seinen Füßen? So lange hatte er auf diesen Moment gewartet …
    Reyes weinte wie ein kleines Kind.
    Laerte hatte sich vorgestellt, dass der Kaiser in ihm nur Hass wecken würde – sonst nichts. Als mächtigen Mann und Tyrannen, der ihm in die Augen gesehen hätte, während er ihm sein

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