Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
so:
Die Usters hatten das Buch,
wir hingegen das Schwert.
D ie hohen Glasfenster des Kirchenschiffs zersplitterten das Sonnenlicht in viele bunte Strahlen, die sich auf dem Steinboden rekelten, über lackierte Kirchenbänke strichen und die edlen Gewänder der Gäste verzauberten.
Die gesamte bessere Gesellschaft der Republik hatte sich, in Samt und Seide gekleidet, in der Kathedrale von Masalia versammelt. Auf den zehn Meter über dem Hauptschiff gelegenen Stützbalken saßen Turteltauben, schlugen mit den Flügeln und verstanden nicht, was sich vor ihren Augen abspielte. Wahrscheinlich waren sie die Einzigen, die die nicht in die Umgebung passende Gestalt wahrnahmen, die ihr leicht geneigtes Gesicht unter einer Kapuze verbarg.
Laerte schlängelte sich fast unsichtbar durch die Menschenmenge. Niemand bemerkte ihn. Er mischte sich unter die Gäste, streifte ihre Gewänder und beobachtete die Gardisten, die neben den imposanten Säulen Wache hielten.
An den Wänden des Kirchenschiffs erhoben sich gigantische Götterstatuen. Ihre Brust war nur mit einem Tuch bedeckt. Die erste in einer ganzen Reihe gleich großer Skulpturen war eine weibliche Gottheit. Eine Hand hielt sie vor ihr Geschlecht, die andere streckte sie empor. Diese Statue war die einzige, die Laerte ungesehen erreichen konnte. Er glitt aus dem Strom der immer noch in die Kathedrale drängenden Menschenmenge hinaus und verbarg sich hinter dem Sockel der Statue. Lautlos erklomm er die Skulptur, ließ sich auf ihrer Schulter nieder und warf einen Blick nach unten. Nein, niemand war aufmerksam geworden. Mithilfe des Odems katapultierte er sich in die erhobene Hand der Frau und sprang von dort auf ein Gesims gleich unterhalb der hohen Decke.
Die Tauben flatterten auf. Einige Gäste blickten empor, doch niemand entdeckte die Gestalt auf dem Vorsprung.
Laerte kauerte sich mit der Hand am Schwertgriff zusammen. Von hier aus konnte er alles überblicken.
Der steinerne Altar im Chor der Kathedrale war mit einem rot und golden bestickten Tuch geschmückt. Ein Priester in einem langen, violetten Gewand, dessen Kopfbedeckung mit einem Eichenblatt geschmückt war, goss frisches Wasser in zwei Kelche. Neben ihm standen bewaffnete Männer.
Laerte erkannte Azdeki. Die glänzende Rüstung zeigte das Familienwappen, den Adler mit der Schlange in den Fängen. In der ersten Bankreihe saß Azdekis Onkel. Er war eingenickt, und seine unförmige Gestalt hob und senkte sich mit jedem Schnarcher. Ein junger Mann flüsterte ihm etwas ins Ohr und weckte ihn.
Genießt das Leben, dachte Laerte, lacht und freut euch, denn bald werdet ihr eure verdiente Strafe erhalten.
Er versuchte herauszufinden, in welchem der anwesenden Ritter ebenfalls Azdeki-Blut floss. Am liebsten hätte er einen Mann mit ausgemergeltem Gesicht und Adlernase entdeckt, doch er fand niemanden, der dem Bild entsprach, das er sich von Balian Azdeki machte.
Nachdem alle einen Platz gefunden hatten und der Weg vom Portal zum Altar wieder frei war, hob der Priester die Arme. Laerte zog sich so weit wie möglich auf seinem Vorsprung zurück.
»Ich begrüße euch, ihr ehrenwerten Ratsherrn«, begann er, »und euch, ihr Familien, Freunde und Würdenträger von Masalia, die ihr zu diesem Freudentag ins Herz unserer jungen, geliebten Republik gekommen seid. Wir haben uns heute im Angesicht der Götter versammelt, um die Geschicke zweier schöner junger Menschen zu vereinen.«
Endlich entdeckte Laerte ihn. Der Priester lächelte einem der jungen Ritter zu, die auf den Stufen zum Altar standen. Der Brustharnisch seiner Rüstung trug nicht das Familienwappen, unterschied sich aber von den anderen dadurch, dass er heller und glänzender war. Auf dem Schulterstück lag eine silberne Stickerei. Er trug sein blondes Haar recht kurz, und sein Gesicht war noch kaum vom Soldatenleben gezeichnet. Wahrscheinlich hatte er den Krieg von seinem Schloss am Vershan aus erlebt. Seine Züge zeigten eine Mischung aus Ängstlichkeit und Aufregung, und aus seinen Augen strahlte großes Glück. Er richtete sich stolz auf, wohlwissend, dass er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Ein wenig erinnerte er an Iago, den Sohn des Hauptmanns aus Guet d’Aëd – den jungen Mann, von dem Esyld vor dem Krieg so oft gesprochen hatte. Laerte verkrampfte sich in seinem Versteck. Seine Hand krallte sich um den Griff des Schwertes.
Nun war nur noch das Gurren der Tauben und das Husten einiger Gäste zu hören. Der Priester begann mit der
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