Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Entfernung?«
»Ist perfekt«, grinste der Söldner und stellte eine Öllampe vor sich auf den Boden.
»Erst auf mein Signal!«, flüsterte Laerte, während er unten im Hof nach vertrauten Gestalten Ausschau hielt.
Was er sah, waren Dutzende Masken und aus Seide und Leinen gefertigte Kostüme – alle bunt, alle unterschiedlich und alle einmalig. Die Menschen lachten, aßen und tranken.
Und plötzlich entdeckte er einen Adlerkopf in der Menge.
»Dort Bernevin und da drüben Daguaret«, flüsterte De Page Viola ins Ohr.
Der Herzog beobachtete die kleinsten Hinweise auf Verbindungen zwischen den plaudernden Ratsherrn. Es war ihm zur zweiten Natur geworden. Schon damals im Kaiserreich und auch jetzt im Rat hatte er auf kleinste Einzelheiten geachtet. Er war in der Lage, aus Gesten, Blicken und Kopfnicken auf Verknüpfungen zu schließen. Ihn interessierten die Ansichten jedes Einzelnen, politische Schachzüge und Freundschaften, denn sie konnten ihm einen Überblick auf das Netz bieten, an dem Azdeki webte.
Viola und De Page gingen Arm in Arm einen langen Spiegelkorridor entlang zu einem Innenhof, in dem es nach gebratenem Spanferkel roch. Die junge Frau unterstützte De Page bei seinen Beobachtungen.
»Daguaret hat Euer neues Bildungsgesetz unterstützt«, gab Viola zu bedenken.
»Schon, aber ich hatte ihn dafür bestochen«, grinste De Page, ohne die vor ihm gehenden Leute aus den Augen zu lassen. »Er war schon immer käuflich.«
»Was ist mit El Chaval?«, fragte sie.
Sie kamen an drei gelb maskierten Männern vorbei, die friedlich mit einem Glas Wein in der Hand diskutierten. El Chaval hatte das Haar im Nacken zu einem Zopf gebunden, war gut gebaut und wirkte jovial. Jetzt nickte er nervös.
»Ein Geck – ein wenig derb, aber geradlinig«, wandte De Page ein. »Wenn er überhaupt an etwas glaubt, dann sicher nicht an eine Republik unter der Herrschaft der Fangol-Mönche. Er hat klar definierte Visionen, die ich allerdings nicht unbedingt teile. Ihn haben sie nicht eingeweiht.«
Sein Vater hatte es ihm gesagt. Er hatte sich auf seine Ellbogen gestützt und es ihm ins Gesicht geschrien, ehe sein Herz zu schlagen aufhörte.
Du wirst keinen Platz mehr in dieser Welt haben, Gregory. Die Götter werden über dich und deine Laster richten. Niemand kann sich von dem befreien, was geschrieben steht. Das Liaber Dest wurde wiedergefunden!
Das Bild des hassverzerrten Gesichts und der wutbebenden, speichelnden Lippen verließ ihn nie. Es war nicht nur eine Frage der Macht, die seinen Vater und die Azdekis gegen Oratio und die von ihm herbeigesehnte Republik aufgebracht hatte. Es ging um den Glauben. Einige hatten einen Fortschritt darin gesehen, dem Volk ein Mitspracherecht zu geben, doch das zählte kaum etwas. Wichtig war nur das Wort der Götter, das im Heiligen Buch überlebte. Und dieses Buch hatten die Reyes sorgfältig versteckt.
»Seht Ihr dort rechts?«, flüsterte Viola.
Eine Gruppe Fangol-Mönche ging an ihnen vorbei. Mit aufgesetzten Kapuzen und gefalteten Händen strebten sie einer Tür zu, die von vier Hellebardieren bewacht wurde.
Wortlos versammelten sich auch die Ratsherrn. Wie De Page erwartet hatte, wurden Rhunstag und Bernevin von Daguaret begleitet. Im allgemeinen Trubel bemerkte fast niemand, wie sich die Würdenträger um Etienne Azdeki scharten, der auf der Vortreppe stand und den Blick mit auf dem Rücken verschränkten Händen und ruhigem, würdigem Gesichtsausdruck über den Innenhof schweifen ließ. Die Mönche traten zu ihm.
Nicht ein einziger Mann war De Pages kritischem Blick entgangen. Jetzt kannte er die Feinde der Republik. Möglicherweise würden einige von ihnen diesen Abend überleben, doch nie wieder würden sie ihre Stimme im Namen der Republik erheben. Darauf würde De Page achten.
»Es ist so weit, nicht wahr?«, flüsterte Viola und klammerte sich wieder fester an einen Arm.
De Page nickte. Der Hof wimmelte von bereits angetrunkenen Gästen. Wenn jetzt etwas passierte, bräche mit Sicherheit eine unkontrollierbare Panik aus. De Page blickte nach oben zu den Balkonen. Hinter einer der Säulen entdeckte er eine vertraute Gestalt. Laerte hielt sich bereit. Seine Goldmaske schimmerte im Licht der Fackeln. Rogant stand zwischen einem Buffet und den Türen zum Ballsaal, und Aladzio, der sich eine Fuchsmaske aufgesetzt hatte, aber nach wie vor seinen Dreispitz trug, bahnte sich einen Weg zwischen den Gästen hindurch. Alles ging wie von selbst.
»Dieser Abend, meine
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