Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Bewegungen ausführte.
Dun hatte schon begabtere Schüler gehabt, aber keiner hatte so viel Eifer an den Tag gelegt, und Grenouilles Wissbegierde machte alle Mängel mehr als wett. Der Junge wünschte nichts sehnlicher, als der größte Ritter zu werden, den die Welt je gesehen hatte, und nach drei Monaten ertappte sich Dun bei dem Gedanken, dass es ihm wahrhaftig gelingen könnte.
»Arm anspannen. Spann deinen Arm an!«
Grenouille stand mit verschlossenem Gesicht inmitten des Schilfs und präsentierte das Schwert des Generals. Die Sonne versteckte sich hinter schweren, grauen Wolken. Am Tag zuvor war eine Patrouille aus Guet d’Aëd ganz in der Nähe ihres Lagerplatzes vorübergekommen.
»Und viel gerader«, kommandierte Dun und versetzte dem Schwertarm seines Schülers einen leichten Stockschlag.
Grenouille warf ihm einen finsteren Blick zu, konzentrierte sich aber rasch wieder und richtete die Augen geradeaus.
»Kopfparade!«
Mit einer raschen Bewegung machte der Junge einen seitlichen Ausfallschritt und führte das Schwert über den Kopf.
»Parade rechts!«
Grenouille brachte das Schwert in die richtige Stellung, um einen Angriff von rechts abzuwehren.
»Deine Füße, Junge. Achte auf die Stellung deiner Füße.«
»Aber ich achte doch darauf!«, wandte Grenouille ein und richtete sich auf, um seine schmerzenden Muskeln zu entspannen.
Schon seit fünf Stunden ließ er ohne Pause die Klinge kreisen. Jetzt beschwerte er sich zum ersten Mal. Dun hatte auf den Moment gewartet, in dem er das erste Anzeichen von Ungeduld zeigte. Noch hatte er zu viel Selbstvertrauen, war sich seiner selbst zu sicher und jederzeit bereit, sich in die Höhle des Löwen zu stürzen.
Die feindlichen Linien waren nicht weiter vorgedrungen. Das Kaiserreich wich nicht mehr zurück. Dun und der Junge jedoch fristeten mitten in den Salzsümpfen ihr Dasein.
»Tatsächlich?«, grinste er und benutzte den Stock wie ein Schwert. Er ließ es durch die Luft kreisen und ging dabei langsam auf den Jungen zu.
»Zurück in die Ausgangsposition«, sagte er.
Seufzend gehorchte Grenouille.
»Parade!«, schrie Dun und stürmte mit seinem Stock auf den Jungen zu.
Zwar konnte Grenouille den Angriff parieren, spürte aber einen jähen Schmerz in der Hand, wo der General ihn getroffen hatte.
»Angriff!«
Grenouille kam gar nicht erst zum Zug, weil Dun zur Seite ausgewichen und auf ihn zugestürmt war, um seinem ausgestreckten Bein einen heftigen Stockstreich zu versetzen. Der Junge ging in die Knie und erstickte einen Schrei. Der Stock peitschte seinen Hinterkopf, dann seine Schulter. Grenouille fiel zu Boden.
Mit dem Gesicht im Schlamm begann er zu schimpfen.
»Dein Bein war zu stark gestreckt. Wenn es nicht von einer Klinge abgetrennt wird, bricht man es dir mit einem Knüppel«, sagte Dun ruhig. »Und jetzt steh auf.«
Grenouille verzog das Gesicht und gehorchte. Wut stieg in ihm auf, und zum ersten Mal wurde sie so stark, dass sie über seine Geduld siegte.
»Halte deinen Arm gerade.«
»Aber wozu?«, wütete der Junge. »Was hat es für eine Bedeutung, ob mein Arm gerade ist? Oder ob ich die Füße hier oder dort habe? Ihr tut das doch nur, um unseren Anmarsch zu verzögern. Ihr seid überhaupt kein großer Ritter. Ich habe Euch ganz umsonst das Leben gerettet.«
Mit angeekelter Miene warf er das Schwert zu seinen Füßen ins Gras.
»Ich hätte besser daran getan, Euch den Rouargs zu überlassen«, schimpfte er.
»Also deswegen …« Duns Miene entgleiste, ein trauriges Lächeln spielte um seine Lippen. Der Junge war ihm immer ein Geheimnis geblieben. Jetzt endlich gelang ihm ein erster Blick hinter die Fassade, und seltsamerweise musste er sich eingestehen, dass es ihn nicht unberührt ließ.
»Nur aus diesem Grund hast du mich also gerettet.«
Grenouille wandte ihm den Rücken zu und schien den Horizont zu studieren.
»Ich sollte dir beibringen, wie man kämpft, damit du die Salinen verlassen kannst. Und was hast du anschließend vor?«
Seine Stimme war sehr ruhig. Während der ganzen Zeit hatte er sich bemüht, den Jungen nicht zu nah an sich heranzulassen, aber im Lauf der Wochen waren doch väterliche Gefühle in ihm aufgestiegen. Doch wovor wollte der Kleine fliehen? Warum lag ihm so viel daran, ein Ritter des Kaisers zu werden?
»Was hast du vor, Grenouille? Was willst du danach tun?«
»Wonach?«, platzte der Junge heraus.
»Nachdem wir die Linien durchbrochen haben und wieder zu meiner Armee gestoßen
Weitere Kostenlose Bücher