Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Stunde entfernt«, flehte er. »Und in zwei Stunden haben wir das Gebiet längst hinter uns gelassen. Ich sagte Euch doch schon, dass hier nur wenige Soldaten stationiert sind. Das Ganze ist ein Kinderspiel.«
Dun sah ihm gerade ins Gesicht. Fast erwartete er, dass Grenouille wieder die Augen niederschlug, doch der Kleine war wild entschlossen, seinen Standpunkt zu verteidigen. Mit einem kleinen Lächeln redete Dun ihm sanft zu.
»Bei einem Kinderspiel sticht man selten einem Mann eine Lanze in den Nacken.«
»Aber …«
»Bei Einbruch der Dunkelheit«, bekräftigte Dun und bestieg das Pferd.
Das Tier war struppig geworden. Sein Fell glänzte nicht mehr, die Knochen stachen unter der Haut hervor, und seine Hufe waren ausgetrocknet wie ein Stück Holz. Trotzdem hatte es die Monate in den Salzsümpfen durchgehalten und Grenouille häufig nach Guet d’Aëd getragen. Auf diesen Touren hatte der Junge nicht nur Essbares gestohlen, sondern auch wichtige Informationen zur Entwicklung der Revolte gesammelt. Er hatte sogar erfahren, wo genau die feindlichen Truppen lagerten. Nachdem er Dun im Schatten des Karrens unter Zuhilfenahme von Steinchen und Zweigen die Aufstellung der aufständischen Armee dargelegt hatte, wartete er auf das Urteil des Ritters.
Dun begutachtete den Lageplan und wusste sofort, wo sie zuschlagen mussten. Um alle Chancen nutzen zu können, musste es allerdings dunkel sein.
Nachdem die Aufständischen Azdeki und seine Männer zurückgeschlagen hatten, verteilten sie ihre Truppen über den gesamten Norden der Salinen und bildeten eine kilometerlange Mauer aus Zeltlagern. Zwar gab es in den Einheiten nur wenige Tausend kriegserprobte Soldaten, der Rest der Truppe jedoch bestand aus Leuten aus dem Volk, die freiwillig zu den Waffen geeilt und daher nicht weniger gefährlich waren. Es waren so viele, dass Dun nicht darauf hoffen konnte, unentdeckt zu bleiben. Mit einer gewissen Erleichterung entdeckte er eine mögliche Bresche in einer Fluchtlinie aus Wald und Felsen, die einen Teil der Front ausmachte. Sie war deutlich erkennbar, und zwar ausgerechnet an der Stelle, wo die Feinde ihre Katapulte stationiert hatten. Sie wurden nicht besonders geschützt, standen ein Stück von den Zelten entfernt und boten eine geradezu ideale Durchbruchsmöglichkeit.
»Hier bleiben wir«, befahl Dun.
Sie hatten endlich den Waldrand erreicht. Graue Rauchschwaden erhoben sich über die Wipfel. Mit Einbruch der Dunkelheit wurden in den Lagern der Aufständischen die Feuer geschürt. Schon waren die ersten Sterne am dämmrigen Himmel zu erkennen. Nur wenige Wolken zogen vorüber. Käuzchen riefen, und ein leichter Abendwind raschelte in den Zweigen.
Dun saß ab und löste seinem Pferd das Geschirr.
»Sie sind gleich dort hinter dem Wald«, stellte Grenouille ein wenig beunruhigt fest.
Offenbar fürchtete er, dass eine Patrouille sie entdecken könnte. Dun amüsierte das. Geduld war nicht die stärkste Seite des Kleinen. Außerdem musste er lernen, die stille Zeit, die ihnen jetzt noch blieb, zur Beruhigung seiner Ängste zu nutzen. Sollte es zum Kampf kommen, durfte die Furcht ihn nicht lähmen.
»Ich weiß«, flüsterte er.
Er legte den Sattel unter einen Baum, löste die Sattelgurte und versetzte dem Pferd mit der flachen Hand einen Klaps auf die Kruppe. Als der Hengst nur noch ein ferner Schatten war, der in Richtung der Sümpfe galoppierte, sah Grenouille seinen Lehrmeister an.
»Hattet Ihr ihn gern?«
»Er war doch nur eine Schindmähre«, lächelte Dun.
»Nein – er nicht.«
Als ihm plötzlich wieder einfiel, wie Tomlinn von einem Rouarg gefressen worden war, erlosch Duns Lächeln. Traurig blickte er in die Ferne, wo das Pferd verschwunden war.
»Das Pferd meines Freundes Tomlinn. Tomlinn. Ein guter General und edler Ritter …« Er drehte sich um und legte dem Jungen eine schwere Hand auf die Schulter. »Aber vor allem mein bester Freund.« Langsam erklomm er die kleine Kuppe, die sich aus dem Wald erhob.
Grenouille folgte ihm.
»Wir waren uns des Risikos immer bewusst. Nur hätte er eher verdient gehabt, in einem Pfeilregen zu sterben, als zwischen den Zähnen eines Rouarg zermalmt zu werden.«
Als sich Dun an einen Baum lehnte, um Atem zu holen, bemerkte er das besorgte Gesicht seines Schülers. Das geschnitzte Holzstück hing an seinem Gürtel wie ein echtes Schwert. Ein Stück Holz – gegen echte Harnische. Er blickte auf seine eigene Waffe. Der polierte Knauf glänzte an seinem Gürtel. War
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