Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Ihr ein Assassine?
Das war, ehe der Kaiser ihm gestattete, seinen Nachfolger auszubilden und ihn zur Belohnung für seine Dienste zum General ernannt hatte. Seine Tunika hatte er seinem Schüler anvertraut.
Rechts von Dun stand eine Frau mit schmuddeligem Haar. Geplatzte Äderchen zogen sich über ihre roten Wangen. Ihr Mund stand offen, und dann schrie sie etwas, das über den ganzen Platz gellte.
»Ein Assassine!«
Sofort geriet die Menge in Bewegung. Die Soldaten begleiteten die drei übrigen Ratsherrn eilig zu ihren Karossen. Einsam stand der Assassine über der Leiche des Marquis und schien Gefallen daran zu finden, die Auflösung des Triumphzugs zu verfolgen. Als die Garden ihn einkreisten und ihre Hellebarden präsentierten, bewegte er sich kaum.
Dun hatte diese Tunika völlig vergessen, bis er sie jetzt an einem anderen sah. Er hatte sie zurückgelassen wie ein Vermächtnis. Ein einfacher grüner Umhang, der das Gespenst der Vergangenheit wiederaufleben ließ. Er atmete schwer. Immer noch standen Schaulustige auf dem Platz herum, zerrissen zwischen Angst und Neugier. Jahrelang hatte der General versucht, seine Erinnerungen im Wein zu ertränken, jetzt aber kam innerhalb weniger Stunden seine gesamte Geschichte zurück zu ihm. Von Eraëd bis Grenouille, von Azdeki bis zu demjenigen, der ihm selbst an der Seite des Kaisers nachgefolgt war.
»Waffen auf den Boden!«
»Auf die Knie!«
»Waffen auf den Boden!«
Die Stimmen der Soldaten waren im allgemeinen Lärm kaum zu hören. Ihre Lanzen waren auf den Mörder gerichtet. Er fasste einen nach dem anderen genau ins Auge. Seine Lippen zitterten nicht. Er erschien unglaublich ruhig. Aber warum? Warum verhielt er sich so? Jeder andere Assassine hätte seinen Mord begangen und wäre anschließend so schnell wie möglich in der Menge verschwunden.
Als sich ein Soldat vorwagte, reagierte der Mann. Er griff nach der Lanze und zog sie mit einer knappen Bewegung auf sich zu. Der arme Kerl hatte keine Zeit mehr, etwas zu unternehmen. Schon stieß der Assassine einen Dolch mit solcher Macht in seinen Bauch, dass das Kettenhemd keinen Schutz mehr bot.
Es war eine Botschaft. Eine Warnung. Eine Drohung im Hinblick auf die Ratsversammlung. Während Azdeki in seine Karosse stieg, beobachtete er das Geschehen. Der Kreis der Soldaten schloss sich wieder um den Assassinen. Innerhalb des Kreises blitzen zwei Dolche auf. Man hörte das Klirren der Klingen auf den Harnischen, und dann tauchte unter den gebannten Blicken des alten Generals plötzlich der Mörder auf. Mit einem Dolch in jeder Hand schob er zwei Soldaten beiseite und lief geschmeidig über den Platz.
Er. Der Beschützer von Reyes. Der Assassine. Die Hand des Kaisers. Aber warum? Und wie?
Widersprüchliche Gefühle tobten in Dun. Empfindungen. Fragen. Aber es gab keine vernünftige Antwort und keine tröstliche Gewissheit. Er musste es in Erfahrung bringen. Er musste diesen Mann stellen.
Eilig lief er hinter den Garden her. Schreiende Menschen stoben vor dem Flüchtigen in alle Richtungen davon. Auch die stärksten Männer wagten es nicht, sich dem Assassinen entgegenzustellen. In einer Seitenstraße machte sich ein Trupp Soldaten bereit, den Mörder festzunehmen, erfüllt von Selbstvertrauen. Hier gab es keinen Ausweg mehr für den Mann.
Auch beim Anblick der Mauer aus Lanzen am Ende der Straße verringerte der Assassine sein Tempo nicht im Geringsten. Zudem schien er sich keine Sorgen wegen der Garden zu machen, die allmählich hinter ihm aufschlossen. Plötzlich schlug er einen Haken nach rechts, stützte sich auf einer Regentonne ab und sprang mit einem einzigen Satz auf den mit Blumen bestandenen Balkon eines Hauses auf der anderen Straßenseite. Die verblüfften Soldaten blieben stehen. Dun sah es und rannte keuchend weiter in ein links gelegenes Sträßchen. Schon lange war er nicht mehr so schnell gelaufen, doch er ließ sich weder von den Schmerzen beim Atmen noch von seinem pochenden Schädel aufhalten.
Im Laufen beobachtete er die Dächer. Plötzlich entdeckte er den Assassinen, der geschmeidig wie eine Katze an einer Regenrinne hinaufkletterte.
»Haltet ihn! Haltet ihn!«
»Er ist dort drüben.«
»Wir dürfen ihn nicht verlieren.«
Dun hetzte durch die Gassen. Manchmal wäre er um Haaresbreite mit erschrockenen Passanten zusammengestoßen. Mit Blicken folgte er dem Assassinen, der von einem Dach zum nächsten sprang. Er rempelte eine Frau mit einem Wäschekorb an, hielt sich nur mit Mühe
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