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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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und deutete auf sein ausgestrecktes Bein.
    Zwar war es inzwischen wieder so weit belastbar, dass er die Schiene hatte abnehmen können, doch es war wichtig, mehr Muskulatur aufzubauen, ehe er sich auf einen Durchbruchsversuch einlassen konnte. Er schätzte, dass er noch ungefähr einen Monat trainieren musste, und hatte sich damit abgefunden, weil es keine andere Möglichkeit gab. Grenouilles Lerneifer hatte ihm geholfen, die Zeit nicht als vergeudet zu betrachten.
    Als er begann, den Jungen zu unterrichten, hatte er es zunächst ohne große Überzeugung getan. Doch eines Nachts bemerkte er, dass der Junge intensiv übte, sobald er seinen Lehrer schlafend glaubte. Er sah die schmächtige Gestalt, die das aus einem Stück Holz hergestellte Übungsschwert konzentriert schwenkte. Einige Tage und Nächte später übte er bereits mit dem Schwert des Ritters. Grenouille gönnte sich nur wenige Stunden Schlaf, beklagte sich aber nie. Ganz im Gegenteil: Er hielt es geheim. Nacht für Nacht wiederholte er sein Repertoire.
    »Morgen lernen wir eine weitere Lektion«, verkündete Dun. Er griff nach der Trinkflasche zu seinen Füßen und öffnete sie langsam.
    Grenouille setzte sich in eine Ecke und maulte.
    »Du weißt, wie man einen Angriff pariert, und du kennst ein paar Angriffshaltungen. Morgen lernst du, wie man jemanden von hinten angreift.«
    »Jemanden von hinten angreifen?«, wunderte sich Grenouille und zog die Knie an, wie er es gern tat. Am liebsten saß er so, dass er seinen Kopf hinter den Beinen versteckte – so, wie Dun ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    »Aber das ist ein ehrloser Kampf!«, fuhr er fort.
    Dun zwang sich, einen Schluck zu trinken. Grenouilles Medizin erwies sich tatsächlich als wirksam. Trotzdem wurde Dun noch jedes Mal schlecht, selbst wenn er nur einen winzigen Tropfen nahm.
    »Jemanden zu töten ist niemals ehrenvoll, Kleiner. Nie.«
    Seine Stimme wurde sehr ernst.
    »Und dabei spielt es keine Rolle, wie du es tust. Ein Leben zu nehmen ist nichts Rühmliches.«
    Nur das Knacken des Lagerfeuers war zu hören. Lange sahen sie einander in die Augen. Schließlich senkte Grenouille den Blick.
    »Ihr seid nicht immer Ritter gewesen, nicht wahr?«
    Dun stellte die Flasche ab, gähnte und ließ seine Finger knacken. »Nein.«
    Nachdenklich scharrte er mit dem kranken Bein über die Erde. Der Junge verdiente es nicht, mehr über ihn zu erfahren. Oder doch? Wenn er sich ihm öffnete, würde sich vieles verändern. Konnte er dem Kleinen so weit vertrauen? Immerhin war er ein Sohn der Salinen. Ein Feind. Andererseits hatte er ihm das Leben gerettet und sich nicht etwa in Guet d’Aëd vergraben, sondern sogar gegen seine eigenen Leute rebelliert. Und dennoch würde er den Werdegang seines Lehrmeisters wahrscheinlich gar nicht begreifen.
    »Wart Ihr ein Assassine?«, erkundigte sich Grenouille ohne die geringste Verlegenheit.
    Überrascht blickte Dun ihn an.
    »Was ist deiner Ansicht nach der Unterschied zwischen einem Assassinen und einem Ritter?«
    Ratlos stocherte Grenouille im Feuer.
    »Der eine tötet für Geld, der andere, weil es seine Aufgabe ist«, erklärte er schließlich ein wenig verunsichert.
    »Du siehst die Dinge viel zu einfach«, seufzte Dun. »Glaub mir, Junge, eines Tages wirst du vieles begreifen.«
    An diesem Abend aßen sie einen Hasen, den Grenouille auf dem Markt von Guet d’Aëd gestohlen hatte. Welch ein Genuss nach den ewigen Froschschenkeln! Den Abend verbrachten sie mit heiterem Geplänkel und schliefen friedlich und ruhig ein – weit fort vom Tumult des Aufstands.
    Der folgende Monat unterschied sich nur wenig von den Monaten davor. Grenouille erlernte den Gebrauch des Schwertes, übte schnelle Angriffe und Paraden. Jede Nacht, sobald er seinen Lehrer eingeschlafen glaubte, wiederholte er die Bewegungen, die er tags zuvor erlernt hatte. Während Duns Bein mit jedem Tag kräftiger wurde, bekam der Junge Ringe unter den Augen. Doch Dun sagte nichts dazu. Er sah zu, wie der Kleine litt, den Schlafmangel erduldete und trainierte, bis er in die Knie ging und man seinem blassen Gesicht die Anstrengung ansah. Jedes Mal erhob sich Grenouille, ohne dass Dun etwas sagen musste. Wie weit würde er gehen? Wie lange würde er durchhalten? Zwar kritisierte Dun Grenouille nicht, aber er verteilte auch kein Lob. Er begnügte sich damit, ihn zu unterrichten, und hielt mit seiner Bewunderung hinter dem Berg, wenn der Kleine mit zusammengebissenen Zähnen und schmerzenden Muskeln seine

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